Night School 02 - Der den Zweifel saet
müssen.«
Er zog sie an sich. Stirn an Stirn standen sie da, und sie spürte seinen warmen Atem auf dem Gesicht. Er roch nach Kaffee und Sandelholz.
»Pass auf dich auf, ja?«, flüsterte er.
Bei seiner Berührung erbebte sie. »Hochheiliges Ehrenwort.«
Das ist einfach nicht richtig
, sagte sie sich.
Ich darf das nicht wollen.
Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn schnell und leidenschaftlich. Als sie sich löste, waren seine Augen dunkel, und er atmete heftig.
»Wir sehen uns in drei Stunden«, sagte sie.
»Schau doch mal!« Zoe stapfte durch den Schnee, der ihr bis zu den Knien reichte. »Ist das
schön
!«
Der Schnee überzog sämtliche Bäume, bedeckte den Boden und zeichnete Ecken und Kanten weich. Der Mond am wolkenlosen Himmel verwandelte die weiße in eine blaue Welt.
Beim Atmen stieß Allie kleine Wölkchen aus, und ihre Stiefel knirschten bei jedem Schritt. Die dicke Kleidung und der tiefe Schnee machten das Gehen mühsam. Sie schwitzte bereits und hatte die Skimütze ausgezogen. Immer, wenn sie sie wieder überstreifte, juckte es sie im Gesicht.
Zoe trug ihre immer noch, allerdings hochgerollt, sie sah aus wie eine Einbrecherin.
»Merkwürdig, wie still es hier ist«, sagte Allie.
»Keine Vögel, keine Füchse«, bemerkte Zoe. »Oder wir können sie nur nicht hören. Weil der Schnee die Geräusche schluckt.«
Es war fast elf Uhr. Sie hatten ihre erste Runde beendet und machten sich nun zum zweiten Mal auf den Weg am Zaun entlang, auf ihren eigenen Spuren. Zoe ging vorneweg. Sie hatte sich inzwischen an die dicke Kleidung gewöhnt und bewegte sich fast mit ihrer üblichen Grazie und Geschwindigkeit.
»Gleich haben wir’s hinter uns«, sagte sie. »Ich glaub, ich hol mir als Erstes eine heiße Schokolade, wenn wir zurück sind.«
Allie hörte gar nicht richtig zu. Sie dachte an Sylvain. Seine Schicht begann um drei Uhr. In der fast leeren Schule würden sie bestimmt ein bisschen Zeit allein finden, ehe er losmusste. Die Vorstellung, ihn wieder zu küssen, ließ ihr Herz rasen.
»Eine heiße Schokolade wär nicht verkehrt«, sagte sie.
»Da stimmt was nicht.«
Zoes Worte kamen so aus dem Zusammenhang gerissen, dass Allie überlegte, was das mit der heißen Schokolade zu tun haben mochte. Dann sah sie, was ihre Partnerin meinte.
Vor ihnen verlief verlassen der Fahrweg von der Schule zum großen Eisentor. Trotzdem, irgendetwas schien nicht zu stimmen. Ratlos suchte Allie die Straße ab und versuchte herauszufinden, was es war.
»Irgendwas ist nicht wie sonst«, sagte sie. »Aber was?«
»Das Tor.« Zoes Augen waren vor Angst geweitet. »Jemand hat das Tor aufgemacht.«
[zurück]
Einunddreißig
»Wie kann das sein?« Allie starrte auf die offene Einfahrt, als würde diese sich wieder schließen, wenn sie nur lange genug daraufstarrte. »Das verstehe ich nicht.«
Sie kauerten zwischen den Bäumen und unterhielten sich flüsternd. Beide hatten die Skimützen übers Gesicht gezogen.
»Das Tor darf nicht offen stehen«, sagte Zoe. »Das ist ein Fehler.«
»Könnte Raj das gewesen sein?«, fragte Allie. »Vielleicht ist er schon wieder zurück und hat vergessen, es zu schließen.«
»Ausgerechnet Raj?« Zoe sah sie skeptisch an.
»Nein«, sagte Allie, »du hast recht. Eher würde er mit bloßen Händen ein neues bauen.« Sie atmete tief durch. »Okay, Zoe: Das ist genau der Fall, für den wir trainiert haben. Wir werden der Sache auf den Grund gehen, zusammen. Du machst einen Bogen und kommst von da.« Sie deutete Richtung Schulgebäude. »Geh ein Stück zurück und dann über die Straße. Dann suchst du die andere Seite ab und ich diese. Wenn du irgendwas findest, melde dich. Falls ich nicht reagiere, holst du Hilfe.«
Zoe stob durch den Pulverschnee davon. Voller Sorge sah Allie ihr nach, bis sie in der Dunkelheit verschwunden war.
Sie sah so winzig aus.
Dann schlich sie von Baum zu Baum und suchte nach Hinweisen dafür, dass etwas nicht stimmte. Die Nacht ihrer Begegnung mit Christopher fiel ihr ein. Wie Gabe sich aus dem Nichts auf sie gestürzt hatte.
Auch damals hatte sie nicht das Geringste gehört.
Mit heftig pochendem Herzen schlich sie so leise wie möglich durch den Wald, wobei ihr bewusst war, dass sie mit jedem Schritt eine deutlich sichtbare Spur hinterließ. Andere Spuren konnte sie nicht entdecken, der Schnee war unberührt.
Was mache ich hier draußen?
, fragte sie sich ängstlich.
Das ist total verrückt. Wir sind doch noch Teenies.
Ohne
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