Night School 03 - Denn Wahrheit musst du suchen
der Kapelle zum Beispiel – das kann keiner von uns gewesen sein. Man hat mir gesagt, dass du …«, sie deutete auf Rachel, »… in der Bibliothek warst.« Rachel nickte. »Allie, Zoe und ich waren ja zusammen draußen. Carter und Sylvain waren auch da, zusammen mit Jules und Lucas und den anderen älteren Night-Schoolern. Bei all denen ist also geklärt, wo sie sich aufhielten. Auf die gleiche Weise habe ich auch die anderen beiden Zwischenfälle überprüft und festgestellt, dass niemals ein und derselbe ältere Night-Schooler alle drei Dinge hätte tun können. Von uns kann es also keiner sein.«
»Also muss es einer von den Lehrern sein.« Carters Stimme klang dumpf.
Obwohl sie am Morgen gemeinsam mit Nicole bereits zum gleichen Ergebnis gekommen war, wurde es Allie eiskalt ums Herz, als sie es nun ausgesprochen hörte. Und an den Blicken ringsum sah sie, dass es den anderen genauso ging. Sylvain vergrub den Kopf in seinen Händen. Rachel wirkte mitgenommen. Selbst Zoe schien aufgewühlt, sie biss sich ständig auf die Unterlippe und hatte eine finstere Miene aufgesetzt.
»Ja«, entgegnete Nicole ruhig. »Es muss jemand aus Isabelles nächstem Umfeld sein, einer von den Night-School-Ausbildern. Nur die haben den nötigen Freiraum und die entsprechenden Möglichkeiten, und es lässt sich viel schwerer nachvollziehen, wie sie ihre Zeit verbringen.«
»Und warum kann es dann nicht Eloise sein?«, fragte Zoe und zog die Stirn kraus.
Allie musste an das Blatt Papier mit Eloises durchgestrichenem Namen denken, das am Morgen auf ihrem Bett gelegen hatte. An die seltsame Mischung aus Enttäuschung und Erleichterung, die sie empfunden hatte.
»Kurz bevor wir das Messer gefunden haben, war Eloise noch bei uns«, erklärte sie. »Derjenige, der es in der Kapelle platziert hat, muss das in dem Zeitraum getan haben, als die anderen Night-Schooler schon vorbei und wir noch nicht da waren, denn sonst hätte es irgendwer mitgekriegt. Eloise hätte nicht genügend Zeit gehabt, um die Kapelle zu erreichen und alles zu arrangieren. Wenn es also stimmt, was Raj sagt – dass nämlich gestern Abend niemand ins Schulgelände eingedrungen ist –, kann es Eloise auf keinen Fall gewesen sein.«
Die anderen ließen diese Überlegungen sacken, Nicole leuchtete ihnen reihum ins Gesicht. »Dass man die Sache nun ihr in die Schuhe schiebt, ist … Wie sagt man? Pures Theater.«
Die Temperatur in der sowieso schon kalten Gruft schien noch weiter zu fallen.
»Mal angenommen, du hast recht, dann muss doch der Lehrer, der Eloise beschuldigt, derjenige sein, der mit Nathaniel unter einer Decke steckt«, sagte Sylvain.
»Klingt logisch«, stimmte Rachel zu. »Denn wenn alle denken, Eloise ist der Spion, hören sie auf zu suchen.«
Allie nickte. »Und unterdessen könnte der Spion …«
Nicole sprach den Gedanken für sie aus: »… nach Belieben schalten und walten.«
Zoes Gesicht war förmlich anzusehen, wie es in ihr arbeitete. »Wenn wir uns in Eloise nicht irren, dann muss der Spion also entweder Zelazny, Isabelle oder Jerry oder Raj sein …«
»Mein Vater bestimmt nicht!«, entgegnete Rachel so scharf, dass die anderen herumfuhren und sie ansahen.
»Rachel hat recht«, sagte Allie. »Raj kann es unmöglich sein. Dafür ist er diesem Ort und Isabelle zu sehr verbunden. Und Isabelle kann es aus objektiven Gründen auch nicht sein.«
»Und was ist mit Rajs Wachleuten?«, fragte Sylvain. »Von denen haben manche einen Generalschlüssel.«
Doch auch das hatte Nicole bereits bedacht. »Drei aus Rajs Team haben Generalschlüssel«, sagte sie. »In der Nacht, als Ruth getötet wurde, hatten aber nur zwei von ihnen hier Dienst.«
Im Keller wurde es still. Die Liste der möglichen Spione war drastisch zusammengeschrumpft.
»Damit bleiben also übrig: Zelazny, Jerry oder einer von Rajs Schichtleitern.« Feierlich zählte Carter die Namen an den Fingern ab. »Und Raj sucht seine Leute sehr sorgfältig aus.«
Sylvain sah aus, als hätte er einen Schlag ins Gesicht bekommen. »Ich kann’s einfach nicht glauben«, sagte er. »Es muss einer von den Wachleuten sein. Jerry oder Zelazny wären zu so was nicht fähig. Ausgeschlossen.«
Allie und Nicole wechselten einen Blick. Nichts war mehr ausgeschlossen.
Der nächste Tag war ein Sonntag. Um neun Uhr morgens wartete Allie vor Isabelles Büro.
Die Tür war abgeschlossen, das Büro schien verlassen.
Mit verschränkten Armen lehnte Allie sich gegen die Wand und machte es sich
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