Night School. Der den Zweifel sät (German Edition)
Kopf. »Nein, danke«, sagte sie abwesend. »Und danke noch mal für …«
Nicole zuckte die Achseln und drückte die Tür auf. »Sylvain hab ich übrigens das Gleiche gesagt.«
»Das waren vermutlich Katies Eltern.« Isabelle goss kochendes Wasser in zwei Tassen, während Allie sich mürrisch in den Sessel vor ihrem Schreibtisch fläzte. Es duftete nach Bergamotte. »Sie hat gestern mit ihnen telefoniert, angeblich wegen des Winterballs. Da haben sie es ihr wohl erzählt.«
»Aber woher wussten die es denn?«, fragte Allie. Isabelle reichte ihr eine Tasse Tee mit Milch, die Allie abwesend in der Hand hielt, während die Rektorin sich neben sie in den anderen Sessel setzte.
»Da wird’s schon komplizierter.« Irgendwas am Klang von Isabelles Stimme machte Allie nervös. »Der gesamte Aufsichtsrat weiß es, Allie: Lucinda hat den Entschluss gefasst, es nicht länger geheim zu halten.«
»Was?« Allies Hand zuckte, und heißer Tee tropfte auf ihr Bein. Sie fluchte leise und wischte ihn mit der Hand weg. »Warum denn das?«
»Nach Nathaniels letztem Versuch hat Lucinda beschlossen, den Aufsichtsrat über seine Umtriebe zu informieren, in aller Offenheit.« Als Allie sie unverhohlen anstarrte, seufzte sie und fuhr fort: »In der Organisation geht einiges vor sich, wovon du nichts weißt, Allie. Die Sache mit Nathaniel beschränkt sich nicht nur auf uns hier« – sie deutete auf ihr Büro – »es ist bedeutender als Cimmeria. Bedeutender als alles, was du dir überhaupt vorstellen kannst. Wir sind nur ein winziger Teil davon. Winzig … aber entscheidend.«
Allie hielt die Luft an. Die Art, wie Isabelle sich ausdrückte, sagte ihr, dass sie vielleicht endlich herausfinden würde, was hier abging. Allerdings musste sie dazu ihre Karten richtig ausspielen.
»Das verstehe ich nicht. Inwiefern hilft es Lucinda, wenn sie diese Leute einweiht?«
»Sie wollte damit nicht sich selbst helfen. Sie hat es für dich getan.« Isabelle sah sie aus ihren goldbraunen Augen an. »Um dich zu beschützen.«
»Inwiefern beschützt mich das?«, fragte Allie stirnrunzelnd. »Es bringt alles durcheinander. Jetzt denken doch alle, ich wär eine Lügnerin und ein Monster …«
»Es beschützt dich insofern, als die Leute, auf die es ankommt, jetzt wissen, wie wichtig du ihr bist.«
Ich soll Lucinda wichtig sein?
Diese Vorstellung befremdete Allie, die schon lange nicht mehr das Gefühl hatte, irgendwem etwas zu bedeuten. Deshalb konnte sie jetzt auch nicht akzeptieren, dass eine Frau, der sie nie begegnet war, sich um sie sorgte.
»Ich versteh’s immer noch nicht.«
»Allie«, sagte Isabelle mit tiefernster Miene, »unter uns ist ein Spion, der für Nathaniel arbeitet. Nach unserem Kenntnisstand könnte diese Person versuchen, dich zu töten. Oder mich. Lucinda hat getan, was sie konnte, um uns gegen Gefahren von außen zu beschützen. Aber gegen jemanden, der mitten unter uns ist? Für alle sichtbar? Dafür brauchen wir mehr Unterstützung.«
Allie kriegte eine Gänsehaut.
»Und deshalb hat Lucinda sich für eine neue Strategie entschieden«, fuhr Isabelle fort. »Sie hat die Leute in der Organisation über die Vorgänge in Cimmeria eingeweiht. In der Hoffnung, dass die Aufmerksamkeit Nathaniel und seine Komplizen vorsichtiger machen wird.«
Hört sich nicht gerade nach dem genialen Superplan an.
Allie verschränkte die Arme vor der Brust.
»Und das funktioniert, meinst du?«
Isabelle senkte den Blick. »Ich weiß es nicht. Schau, Lucinda sitzt in der Zwickmühle, wie wir alle. Nathaniel versucht, hochstehende Persönlichkeiten innerhalb der Organisation auf seine Seite zu ziehen, damit sie ihm dabei helfen, Lucinda dazu zu zwingen, die Regeln der Organisation so zu ändern, dass …« Sie unterbrach sich. Nach einer kurzen Pause fuhr sie fort: »Nun, das könnte alles zerstören. Lucinda versucht nun, diesen Leuten die Augen zu öffnen, wie wenig vertrauenswürdig Nathaniel ist. Dass er irrationale Methoden anwendet. Dass er skrupellos sein kann. Und gefährlich.« Sie seufzte. »Ich kenne Nathaniel, deshalb weiß ich, dass er sich von nichts aufhalten lässt. Die Mitglieder des Aufsichtsrats aber können das nicht erkennen. Sie sehen in ihm nur einen, der sagt, was sie hören wollen …«
»Du weißt so viel über Nathaniel«, sagte Allie, »kennst du ihn denn? Oder … hast du mal was mit ihm zu tun gehabt?«
Die Rektorin dachte lange nach, ehe sie antwortete.
»Ich hab Nathaniel mal sehr gut gekannt«, sagte
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