Night School. Der den Zweifel sät (German Edition)
Fracks brachten Tabletts mit Champagner und Glühwein.
Isabelle trug ein fließendes, schwarzes, golddurchwirktes Kleid mit enger Taille und hatte das Haar zu einem lockeren Knoten aufgesteckt. Umringt von Gratulanten, stand sie am Rand der Tanzfläche und lächelte fröhlich.
Allie ließ den Blick schweifen und suchte nach einer Frau mit weißem Haar.
»Du meine Güte. Ganz schön voll hier.« Auf Zehenspitzen hielt Jo Ausschau nach einem Sitzplatz.
»Viel schlimmer als beim Sommerball«, sagte Allie abwesend, doch Jo bemerkte es nicht.
»Ist immer so. Weil der versammelte Aufsichtsrat und alle Eltern, die was zu sagen haben, hier sind … Dahinten sind noch ein paar freie Stühle.« Jo deutete auf die gegenüberliegende Seite des Saals, und sie machten sich auf den Weg.
Selbst in diesem Gedränge wäre eine Frau wie Lucinda Meldrum aufgefallen. Allie hätte sie bestimmt entdeckt, das wusste sie, und da das nicht passiert war, begann sie sich ein wenig zu entspannen.
Vermutlich ist sie noch nicht da.
Sie versuchte, sich die Begegnung mit ihrer Großmutter vorzustellen, aber es fiel ihr partout kein sinnvoller Satz ein, mit dem sie sie hätte ansprechen können. »Hallo, Großmama, wieso haben wir uns nicht früher kennengelernt?« – das schien ihr kein guter Anfang.
»Wieso sind deine Eltern eigentlich nicht hier?« Allie hob ihre Stimme, um die Menge zu übertönen, während sie sich setzten, die Wand im Rücken und mit gutem Überblick über den Raum. »Sind die nicht reich und wichtig?«
»Aber hallo«, sagte Jo ohne den Anschein von Verlegenheit. »Immer kommt ihnen irgendwas dazwischen, sie waren noch nicht oft hier. Im nächsten Jahr, Schatz, im nächsten Jahr, sagt Dad immer. Und Mum«, fuhr sie in herablassendem Ton fort, »ist mit Olivier beschäftigt, ihrem derzeitigen Lover.«
»Igitt«, sagte Allie und winkte einem Kellner, bei dem sie Sprudel und Diät-Cola bestellte.
»So isses.« Jo schlug die Beine übereinander und zeigte die roten Sohlen ihrer Stilettos. »He, guck mal, da sind Sylvains Eltern.«
Sie nickte in Richtung eines elegant gekleideten Paars, das sich am Rand der Tanzfläche mit Isabelle unterhielt. Allie schaute wie gebannt hin. Der Mann hatte helle Haut und sandblondes Haar, das langsam ergraute. In seinem perfekt geschneiderten Smoking wirkte er sehr weltmännisch. Die Frau hatte olivenfarbene Haut und eine wallende, dunkle Mähne, die ihr in welligen Locken über den Rücken fiel. Sie trug ein bronzefarbenes Seidenkleid, das ihr an den schlanken Hüften anlag, und ein schweres Diamantencollier um den Hals.
In der Nähe stand Katie Gilmore mit einem älteren Paar, bei dem es sich wohl um ihre Eltern handeln musste. Sie sah phantastisch aus in ihrem dunkelgrünen Kleid, dessen Farbe ihre Haut wie Milch schimmern ließ. Allie fragte sich, ob es ein Zufall war, dass Katie so nah bei Sylvains Familie stand.
So oder so, als Sylvain auftauchte, ging er schnurstracks an Katie vorbei auf seinen Vater zu, ohne sie zu beachten. Allie versuchte, gleichgültig zu bleiben, doch ihr Herz schlug trotzdem schneller; sein perfekt sitzender Smoking betonte die schlanken Schultern. Als sein Vater sich ihm zuwandte, um ihn zu begrüßen, erkannte Allie selbst über die große Distanz hinweg das strahlende Blau seiner Augen.
»Daher hat er sie also«, murmelte sie.
»Hm?« Jo, die woandershin geschaut hatte, drehte sich zu ihr und folgte ihrem Blick.
»Sein Dad«, sagte Allie. »Sylvain hat seine Augen.«
Der Kellner kam mit einem Tablett voller Getränke zurück. Jo wartete, bis er seine Fracht abgestellt hatte und wieder außer Hörweite war, dann beugte sie sich vor und tippte mit einem silberglänzenden Fingernagel auf die Tischplatte. »Okay, Allie, raus damit. Was läuft da zwischen dir und Sylvain? Ich hab mitgekriegt, wie du ihn anschaust. Und wie er dich anschaut. Das sieht selbst ein Blinder mit Krückstock, dass da was ist zwischen euch beiden.«
Allie errötete und wandte den Blick von Sylvains Familie ab. »Nein. Äh … Was?«
»Komm schon, Allie.« Jos kornblumenblaue Augen musterten sie vielsagend. »Ich bin’s. Ich seh’s dir an den Augen an. Du stehst auf ihn.«
Vor lauter Panik konnte Allie keinen klaren Gedanken fassen. Sie hatte sich alle Mühe gegeben, Sylvain nicht zu mögen.
Wirklich alle.
Wie’s aussah, war sie gescheitert.
»Ich darf ihn nicht mögen, Jo.« Allie sah sie flehentlich an.
»Und wieso nicht?«, fragte Jo verdutzt. »Der Typ ist Sex auf
Weitere Kostenlose Bücher