Nightschool. Du darfst keinem trauen
sich Allie vor und stützte ihre Hände auf die Knie, bis sich ihr Atem beruhigte.
Dann richtete sie sich auf und warf ihren Pferdeschwanz über die Schulter. »Was? Du redest wieder mit mir? Was für eine Ehre.«
Seit ihrer Auseinandersetzung in der Bibliothek hatte Carter sie gemieden, und sie hatte es gern hingenommen.
Er tat so, als hätte sie nichts gesagt. »Diese Zählerei. Das ist mir schon mal aufgefallen. Wieso machst du das?«
»Das geht dich einen Scheißdreck an, du Stalker. Und jetzt zisch ab.«
Sie setzte sich wieder in Bewegung, doch Carter ließ sich nicht abschütteln.
»Das war eine ganz einfache Frage.«
Allie schrie vor Zorn auf und beschleunigte; die Wut trieb sie an. Doch Carter ließ sich nicht abschütteln. Schließlich brüllte sie ihn in abgehackten Halbsätzen an.
»Man ignoriert nicht jemanden. Wochenlang. Und stellt ihm dann. Persönliche Fragen. Du. Arschloch.«
»Mäßige dich.«
»Leck mich.«
Stille breitete sich aus, während Allie weiterrannte und es angestrengt vermied, mit ihm zu sprechen.
»Allie, du darfst Sylvain nicht vertrauen.«
»Ich hör dir nicht zu.«
»Ich kann dir nicht im Einzelnen erklären, warum, aber er ist nicht der, für den du ihn hältst.«
Sie verlangsamte ihren Schritt und funkelte ihn wütend an. »Was soll denn das bitte heißen?«
Carter setzte zu einer Erklärung an, unterbrach sich dann aber. Angewidert schüttelte Allie den Kopf und lief weiter – nach einer Weile hörte sie keine Schritte mehr hinter sich.
Als sie das Dach des Pavillons aus den Baumwipfeln ragen sah, verschlug es ihr trotz aller Wut den Atem. Damals im Regen hatte sie ihn kaum zur Kenntnis nehmen können. Der Pavillon war wunderschön – ein phantasievolles Bauwerk mit einem schmalen, spitz zulaufenden Dach, das bestimmt acht Meter in die Höhe reichte und mit farbenfrohen maurischen Ornamentkacheln verziert war. Sechs kunstvoll gemeißelte Pfeiler stützten das bunt leuchtende Dach. Allie stieg die Stufen hoch ins schattige Innere des nach außen offenen Pavillons, der von einem Steingeländer mit Bänken eingerahmt wurde. Sie setzte sich und legte den Arm auf das kühle Geländer, ließ ihr Kinn darauf ruhen und schaute in den Wald hinaus. Carter war nirgends zu sehen.
Was ritt ihn bloß? War es die blanke Eifersucht? Oder meinte er es ernst?
Er klang ziemlich ernst.
Sie überlegte, ob Sylvain irgendetwas getan hatte, was sie an ihm hätte zweifeln lassen können. Er war immer für sie da gewesen, wenn sie ihn gebraucht hatte. Er hatte sie vor Zelazny beschützt. Zugegeben, er war eher ein glatter Typ und offenbar steinreich, aber er benahm sich nicht wie ein Snob. Er war die Liebenswürdigkeit in Person. Carter dagegen war schwierig, aufdringlich, voreingenommen und hatte etwas Bedrohliches.
Es lag auf der Hand, wem sie vertrauen sollte.
Ich verstehe nur nicht, wieso Carter sich so ins Zeug legt.
Als Allie abends am Essenstisch ankam, tuschelten Jo, Lisa und Ruth gerade angeregt.
»Du musst das machen, Lisa«, sagte Jo. »Das ist Tradition.«
»Ich werd auch mitmachen, und du weißt, wie sehr ich so was hasse«, sagte Ruth.
Lisa war erkennbar widerwillig. Sie stocherte in ihrem Essen herum, die langen, geraden Haare fielen ihr vorne ins Gesicht. »Ach, ich weiß nicht. Ist schon bisschen komisch.«
»Was ist komisch?«, fragte Allie und nahm sich einen Stuhl. »Und was gibt’s heut Abend zu essen? Ich hoffe, Lasagne.«
»Die Plansch-Party.« Jos Augen glänzten vor Begeisterung. »Die findet immer am Abend vor dem Sommerball statt, und Lisa will nicht. Sie muss aber. Und du wolltest doch bloß noch Salat essen, dachte ich.«
»Ach, Mist«, sagte Allie. »Das mit dem Salat hab ich völlig vergessen. Und was, bitte, ist eine Plansch-Party?«
Sie goss sich ein Glas Wasser ein.
»Gottchen, das hab ich doch glatt vergessen, dir zu erzählen.« Jo ließ Lisas Arm los und wandte sich Allie zu. »Eine alte Tradition. Die Oberstufler schleichen sich am Abend vor dem Ball um Mitternacht aus dem Haus und gehen im Weiher schwimmen.«
Verdutzt sah Allie Lisa an. »Und was ist so schlimm daran? Kannst du nicht schwimmen?«
Lisa reckte das Kinn und warf Jo einen vorwurfsvollen Blick zu. »Es ist ja nicht bloß Schwimmen. Sag ihr die ganze Wahrheit!«
Jo rollte mit den Augen. »Also gut: Nacktbaden. Dass du immer so prüde sein musst, Lisa. Das wird sicher total lustig!«
Allie verschluckte sich fast an ihrem Wasser. »Was? Wir alle? Mädchen und Jungs?
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