Nightschool. Du darfst keinem trauen
neben ihr stand, sie komplett verdeckte. Weshalb Isabelle sie nicht bemerkte, als sie ein paar Minuten später mit ihrem Tanzpartner vorbeilief.
»… Irgendwer muss ihr einfach sagen, dass Nathaniel völlig außer Kontrolle ist.« Ihre Stimme war eisig vor Wut. »So was wie letzte Nacht können wir einfach nicht hinnehmen. Sie muss was unternehmen. Sich zumindest auf eine Seite schlagen. Mein Gott, Matthew, es gab eine Tote! Kinder sind verletzt worden. Das kann doch nicht so weitergehen!«
Matthew murmelte eine Erwiderung, die Allie nicht verstand.
»Tja, dann musst du eben selber zu ihr hingehen und es ihr persönlich sagen«, blaffte Isabelle zurück – und dann waren sie außer Hörweite.
Allie war elektrisiert. Sie beugte sich vor, um an den reich verzierten Mahagoni-Tischbeinen vorbeizuspähen.
Es war also weder ein Lehrer noch ein Schüler gewesen. Sie zog die Knie eng an ihren Körper und schlang die Arme darum. Ein seltsames Gefühl der Erleichterung befiel sie. Wenigstens war der Mörder niemand, den sie bisher für ihren Freund gehalten hatte.
Wieder Schritte.
Allie beugte sich vor und sah Carter. Er stand da und suchte den Flur mit Blicken ab.
Sie rappelte sich auf. »Carter!«
»Allie! Ist was passiert? Jules sagt, du hättest nach mir gesucht.«
Allie musste sich ein Lächeln verkneifen. Ich glaub’s nicht. Sie hat’s ihm echt ausgerichtet.
Sie kam näher und senkte ihre Stimme. »Ist Gabe auch in der Besprechung, aus der du gerade kommst?«
Er nickte.
»Er muss unbedingt zu Jo aufs Zimmer kommen – sie ist komplett am Ausflippen.«
Carter schien nicht überrascht. »Ich sag’s ihm. Ich hab schon beim Essen gemerkt, dass da was nicht stimmt. Er wollte sie auch gar nicht alleine lassen, aber …«
Allie sah besorgt drein. »Sie benimmt sich sehr komisch, Carter. Als wär sie nicht sie selbst.«
»Ich hab ihm gesagt, dass das passieren wird.« Eine Pause entstand, während der Carter offenbar zu einer Entscheidung gelangte. »Allie, wir müssen reden.«
»Gern. Worum geht’s?«
Er spähte umher. »Nein, nicht hier. Irgendwo, wo wir ungestört sind. Können wir uns in zwanzig Minuten in der Kapelle treffen?«
Sie sah ihn zweifelnd an. »Wir sollen doch das Gebäude nicht verlassen, sonst ziehen wir uns Isabelles ewigen Zorn zu, und außerdem ist es schon nach neun.«
»Der perfekte Zeitpunkt«, sagte er. »Alle sind bei der Besprechung oder auf ihrem Zimmer wegen der Nachtruhe. Und die Lehrer sind sowieso völlig von der Rolle.«
Allie wollte eigentlich Nein sagen. Ein Arrest war das Letzte, was sie jetzt gebrauchen konnte. Aber Carter sah so entschlossen aus. Sie hoffte, dass das, was er ihr zu sagen hatte, wenigstens ein bisschen Licht in die ganzen Vorgänge bringen würde.
»Okay, aber wenn ich von der Schule fliege, dann verpetze ich dich. Aber so was von!«
Obwohl seine Lippen sich zu einem Lächeln kräuselten, blieben seine Augen ernst. »Gut. Also, bis gleich. Aber lass mir zehn Minuten Vorsprung, damit ich Gabe wegen Jo Bescheid sagen kann, und dann renn so schnell du kannst.«
Er entfernte sich. »So schnell ich kann?«, murmelte Allie. »Ich dachte, alle wären zu beschäftigt, um irgendwas zu merken.«
Sie lief ungeduldig auf und ab ( dreihunderteinundneunzig Schritte ) und wartete darauf, dass die zehn Minuten vorbei waren. Als die Acht-Minuten-Marke erreicht war, machte sie sich auf in Richtung Haupteingang ( dreiunddreißig Schritte ). In der Eingangshalle war es ruhig, doch just als ihre Hand die Türklinke berührte, hörte Allie Stimmen aus dem Flur.
Abgesehen von großen Kerzenständern und Wandbehängen gab es in der Halle kaum Möbel, nur einen schmiedeeisernen Tisch, über dem eine schwere Decke hing. In letzter Sekunde nahm Allie darunter Zuflucht, ehe Eloise und Zelazny um die Ecke bogen.
»Dauert das lang?«, fragte Eloise im Näherkommen. Sie klang gereizt.
»Ich hoffe nicht.« Zelazny öffnete die Tür. »Aber das hängt davon ab, was wir finden.«
»Wo willst du anfangen?«
Allie konnte gerade noch Zelaznys Antwort hören, bevor sich die Tür schloss: »Da, wo wir Ruths Leiche gefunden haben.«
Das Echo des massiven Türschlosses hallte in der leeren, steinernen Eingangshalle wider.
Allie saß in ihrem Versteck und runzelte die Stirn. Wonach suchen die?
Zuerst dachte sie, dass sie es niemals schaffen würde, unbemerkt aus dem Gebäude zu gelangen, nun, da Zelazny und Eloise draußen waren. Doch dann fiel ihr ein, dass man Ruths
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