Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Niki de Saint Phalle - Die Lebensgeschichte (optimiert für Tablet-Computer)

Niki de Saint Phalle - Die Lebensgeschichte (optimiert für Tablet-Computer)

Titel: Niki de Saint Phalle - Die Lebensgeschichte (optimiert für Tablet-Computer) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Schuemann
Vom Netzwerk:
ihren Tod hinaus? Der deutsche Theaterregisseur Rainer von Diez meldet sich bei Niki und wünscht sich von ihr genau so einen begehbaren Frauenkörper als Bühnenbild für sein nächstes Theaterstück im Kasseler Staatstheater, die »Lysistrata« von Aristophanes.
    Â»Die Idee ist genial«, schwärmt er, »die Schauspielerinnen können sich dadurch in »ihrem großen Körper« wie in einer Festung verbarrikadieren – ganz konkret!« In der Geschichte des Stücks verweigern die Ehefrauen nämlich ihren Männern den Sex, solange diese nicht endlich den gegenwärtigen Krieg beenden.
    Das ist ganz nach Nikis Sinn: Weibliche Macht setzt sich gegen männliche Kriegstreiberei durch. »Make love, not war!« liegt schließlich in der Luft der Zeit. Gerade jetzt formiert sich unter diesem Motto eine rasant anwachsende Protestbewegung gegen den Krieg in Vietnam und den andauernden Kalten Krieg.
    Das Premierenpublikum honoriert die Inszenierung mit stürmischem Applaus.
    Die Weltausstellung in Montreal
    Â»Engagiert euch, Leute! Wenn ihr ein soziales und politisches Bewusstsein habt, dann setzt euch ein für die Gestaltung einer
besseren Welt!«, ist denn auch das Thema, zu dem die kanadische Stadt Montreal die Länder dieser Erde zur Weltausstellung 1967 einlädt.
    Niki und Jean bewerben sich darum, die Dachterrasse des französischen Pavillons gestalten zu dürfen. Und was läge näher, als hierfür genau das »Lysistrata«-Thema umzusetzen? Weiblich steht gegen männlich. Weich gegen hart. Wie von selbst verdeutlichen sich diese Gegensätze, stellt man nur Nikis und Jeans Skulpturen nebeneinander. Der Titel ihres Entwurfs drückt den inhaltlichen Gedanken aus: »Das fantastische Paradies, attackiert von Jean Tinguely«. Das Konzept steht, jetzt geht’s noch darum, den Auftrag zu erkämpfen.
    Â»Geh du, du kannst das besser als ich«, sagt Jean zu Niki, und wahrscheinlich hat er recht. Es ist Niki, die die Konventionen guten Benehmens perfekt beherrscht, die mit Charme und Argument überzeugen kann, wenn sie etwas erreichen will.
    Und so kommt es, dass Niki sich in Schale wirft und bei Robert Bordas, dem Präsidenten des französischen Pavillons, vorspricht.
    Ist es das Konzept, das überzeugt? Oder Niki? Oder beides? Jedenfalls schickt Frankreich die beiden nach Kanada – und das, obwohl sie ja gar nicht mal »so sehr französisch« sind: Jean ist Schweizer und Niki nur halb Französin.
    Dennoch verwundert die Auswahl nicht. Gerade das Zusammenspiel ihrer beider Kunst hat einen ganz besonderen Reiz:
    Was sie verbindet, ist das Spielerische.
    Ansonsten sind Nikis Skulpturen bunt, Jeans meist rostig, in diesem Fall schwarz.
    Ihre rund, seine kantig.
    Von glatter Oberfläche, verwinkelt.
    Geradeheraus im Ausdruck, hintersinnig im Witz.
    Und gerade deshalb passt die Kunst dieser beiden Ausnahmepersönlichkeiten so gut zusammen.

    Â»Meine Nanas sind ein Element gegen die Maschine«, sagt Niki zu Jean, ihr Skulpturenensemble betrachtend, als es schließlich in Montreal fertig auf dem Pavillondach steht.
    Â»Nein, nein, es ist umgekehrt: Wir Männer sind wenigstens kreativ und unsere Maschinen produktiv. Ihr Frauen seid nur passiv«, erwidert dieser.
    Â»Ja, aber eure Erfindungen machen die Welt ja nicht besser, sondern zerstören sie.«
    â€¦
    Sie geben ihre Diskussion nahtlos weiter an die vielen Besucher, die ihre Kunst während der Expo ’67 bewundern und genießen. Ihre Skulpturen überzeugen, mehr noch, sie werden geliebt. Für Niki und Jean bedeutet dieser Auftrag ihren internationalen Durchbruch.
    Schlechte Nachrichten
    Weil die Skulpturen in Montreal draußen stehen sollten, konnte Niki ihre Nanas nicht wie bisher aus Pappmaché oder Stoff herstellen. Etwas Wetterbeständiges musste her. Niki nutzte daher den Kunststoff Polystyren, den man mit heißem Draht zerschneiden und auch gut bemalen kann. Für Nikis Zwecke funktionierte das wunderbar! So weit so gut.
    Doch dann, die Skulpturen sind gerade fertig, bekommt sie plötzlich Atemprobleme und 41 Grad Fieber! Einen ganzen Monat muss sie im Krankenhaus bleiben, verliert zehn Kilo Gewicht. Jean fährt allein nach Montreal voraus, um die Skulpturen dort aufzubauen  – sie müssen ja im Zeitplan bleiben. Der Grund für Nikis Erkrankung: Die Dämpfe, die der Kunststoff ausströmt, sind giftig.

Weitere Kostenlose Bücher