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Niki de Saint Phalle - Die Lebensgeschichte (optimiert für Tablet-Computer)

Niki de Saint Phalle - Die Lebensgeschichte (optimiert für Tablet-Computer)

Titel: Niki de Saint Phalle - Die Lebensgeschichte (optimiert für Tablet-Computer) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Schuemann
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Stockholm zusammen  – Pontus, Jean, Niki und Per Olof Ultvedt – und überlegen hin und her, was dies denn sein könnte. Inspiration kommt nur leider nicht auf Knopfdruck. Und so will sich langsam schon der Frust einschleichen, als Pontus plötzlich in die Runde wirft: »Wie wär’s mit einer riesigen Nana?«
    Endlich! Das ist die Vorlage, auf die sie alle gewartet haben: Pontus’ Gedanke fällt auf kreativen Boden, und schon folgt –
ping-pong – eine Idee auf die andere: Begehbar muss sie sein, auf jeden Fall. Schwanger natürlich, mit einem richtig dicken Bauch. Niki legt sich auf den Boden, um die Haltung zu demonstrieren: Die Beine hat sie leicht gespreizt und aufgestellt. Sie erhält den Namen »Hon«. Das ist schwedisch und heißt schlicht und einfach
    Â»Sie«.
    Â»In die Brust bauen wir eine Milchbar ein!«
    Â»In die andere ein Planetarium.«
    Â»Und oben auf ihren Bauch kommt eine Aussichtsterrasse, von der aus man die gesamte Nana überblicken kann.«
    Â»Wie wär’s mit einem Kino?«
    Â»Okay, wir lassen Greta Garbos ersten Film darin laufen.«
    Â»Und eine Bank für Verliebte brauchen wir auch in unserer Venus-Göttin.«
    Â»Eine bewegliche aber!«
    Â»Das ist witzig.«
    Â»Wo bauen wir denn den Eingang hin?«
    Â»Keine Frage, der Eingang ist die Vagina.«
    Â»Upps – okay …«
    Â»Ja, wenn schon, denn schon!«
    Als diese letzten Worte gesprochen sind, beschließt Pontus, den Inhalt des Projekts bis zur Eröffnung streng geheim zu halten, und er tut gut daran. Nichts hätte der wunderbaren »Hon« mehr geschadet als üble Nachrede aufs Geratewohl. So bleibt die Baustelle hinter einer großen Stellwand verborgen, und tatsächlich halten alle dicht.
    Der Grundstock ist gelegt, die Richtung klar, weitere Ideen entstehen beim Tun. In einer Skizze legen die vier Ausmaße und Form ihrer Riesen-Nana fest. Dann geht alles sehr schnell, und das muss es auch: Sechs Wochen bleiben ihnen noch Zeit.

    Als Unterstützung stellt Pontus ein Team von Mitarbeitern an – darunter auch den jungen Schweizer Künstler Rico Weber, der bis jetzt in der Museumscafeteria gejobbt hat. Zuerst entsteht ein stabiles Gerüst in mehreren Ebenen. Dann geht’s an die Ausstattung.
    Niki ist für die Hülle der Skulptur zuständig. Kaninchendraht, Knochenleim und Stoff sind ihre Zutaten. Nach dem Trocknen wird sie bunt bemalt: in lebendigen Farben und fröhlich wie ein Osterei, wie es einer Fruchtbarkeitsgöttin gebührt.
    In einem gigantischen Kraftakt arbeitet jeder Einzelne mindestens 18 Stunden täglich. Die Beteiligung an dem Projekt ist für alle ein einmaliges Erlebnis. Doch je näher der Eröffnungstag rückt, desto stärker wird auch die Anspannung: Wird das Publikum sich freuen oder rigide über »geschmacklose Provokationen« schimpfen?
    Â 
    Dann ist der Tag da. Pontus hält gerade seine Eröffnungsansprache. Ich blicke mich um. Viele Journalisten sind gekommen. Fest presse ich Jeans Hand. Mein Herz klopft wahnsinnig.
    Jetzt, jetzt rollt die Wand zur Seite und – alle starren zwischen die bunten Schenkel auf die riesige Vagina.
    Stille.
    Kein Mensch sagt ein Wort.
    Ich spüre schon, wie mir das Blut in den Kopf steigt. »Haltung bewahren«, beschwöre ich mich. Ich schaue nicht hin und zwinge mich zur Ruhe.
    Ist es eine Stille der Überraschung oder Ablehnung? Ich weiß es nicht.
    Dann, endlich, tut sich was. Einer nach dem andern nähert sich der riesigen Skulptur. Ich riskiere einen Blick.
    Sie wirken neugierig! Sind amüsiert!
    Sie treten ein und entdecken das reiche Innenleben unserer Göttin.

    Â»Hon« hat Glück. Gleich auf Anhieb gewinnt sie einen Fan aus der Zeitungszunft, der seine Meinung enthusiastisch verbreitet. Das schürt die Neugier. Und so empfängt die Riesengöttin in drei Monaten an die 100 000 Besucher. Einen Skandal entfacht sie nicht im aufgeklärten Schweden. Sie verbreitet lediglich ein wenig mehr Freude – denn die meisten, die sie erblicken, können es gar nicht verhindern: Unwillkürlich stiehlt sich ein breites Lächeln in ihr Gesicht.
    Am Ende der Ausstellungszeit wird »Hon« wieder abgebaut: Sie hat kurz, aber intensiv gelebt!
    Die Nana als Bühnenbild
    Vielleicht trägt die Inspirationskraft der Göttin gerade deshalb Früchte über

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