Niki de Saint Phalle - Die Lebensgeschichte (optimiert für Tablet-Computer)
Marilyn Monroe zum Beispiel. Als Sexidol und Schönheitskönigin bekommt sie riesige blaue Augen und knallrote Lippen. Ach ja, und superblonde Haare. Ansonsten ist sie leicht deformiert geraten. Schönheitskönigin? Ja, was heiÃt hier eigentlich Schönheit?
Sie singen und tanzen und proben den Kopfstand
Gerade besuche ich meine Freundin Clarice Rivers. Sie wohnt mit ihrem Mann Larry noch in der Impasse Ronsin, wo wir früher so oft Zeit zusammen verbracht haben. Clarice ist schwanger und schon kugelrund! Und das Erstaunliche ist: Ich finde sie schön. Einfach herrlich sind diese prallen Formen, und Clarice strahlt unglaublich glücklich.
Ich sage das zu ihr, woraufhin sie übermütig, frank und frei uns allen ihren nackten, runden Bauch vorzeigt. Larry kann nicht anders: Er zückt den Stift und zeichnet diesen tollen Bauch â als kugelrunde Höhle mit dem Baby darin. Ich habe mir die Skizze nachgezeichnet und den wunderschönen Körper mit lauter bunten Mustern bemalt.
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Immer offener und verspielter wird Niki jetzt bei der Gestaltung ihrer Frauen. Gleichzeitig experimentiert sie mit neuen Materialien. Eva Aeppli zum Beispiel arbeitet ja mit Stoff. Das reizt Niki auch. Als sie ein groÃes Porträt von Eva erstellt, greift sie daher ebenfalls auf Textilien zurück â sie passen zu Eva.
Und fortan durchstöbert Niki die Läden nach weiteren Stoffen, Mustern, Farben. Wie schön es sich anfühlt! Ãber die Stoffe kehrt die Farbe in Nikis Kunst zurück.
Im Moment ist ja eigentlich eher das Modell »Twiggy« in, sodass alle Welt gerade Frauen mit langen Beinen, schmalen Hüften, wenig Busen, Bubikopf und groÃen Augen gut findet. Aber MEINE FRAUEN wachsen immer mehr, werden wunderbar DICK und RUND und erobern sich den Raum! Das finde ich â wieder mal â MAGISCH!
Ich liebe meine ganze Schar, die jetzt so langsam mein Atelier bevölkert und mir Gesellschaft leistet: Salut, Bénédicte! Good evening, meine schwarze Bluessängerin! Manchmal schnappt Jean sich eine von ihnen und dreht ein Tänzchen mit ihr. Meine Frauen tanzen nämlich gern. Und springen, spielen, lachen, schwatzen. Voller Ãbermut dehnen sie sich in alle Richtungen, und manche stehen kopf! Ihre Haut ist HEIL und KUNTERBUNT!
Ich nenne meine neuen fröhlichen, starken Frauen NANAS.
»Halten Sie sie nicht für harmlos!«
Dann kommt der groÃe Moment: Niki entlässt ihre Nanas erstmals in die Welt. Ihr Galerist Alexandre Iolas stellt sie vom 30. September bis 30. Oktober 1965 in Paris aus.
Das Publikum kommt und ist â erstaunt. Wie anders als alles Bisherige von Niki de Saint Phalle ist das, was hier zu sehen ist! Bald steht die Tür der Galerie nicht mehr still: Alle wollen die dicken Neuigkeiten sehen.
Manche finden sie anmaÃend, diese Nanas, andere einfach nur hässlich.
»Warum ist der Kopf so klein?«, fragen die Nächsten.
»Naiv, kitschig und zu poppig, keine groÃe Kunst«, urteilen Weitere.
Doch es gibt auch andere Töne, zum Beispiel die des Kunstkenners Pierre Descargues, der im Begleitkatalog der Ausstellung feststellt: »Sie amüsieren sich (die Nanas) ⦠Und meine Herren, ⦠Halten Sie sie nicht für harmlos.«
Tatsächlich startet Nikis Nana von hier aus ihren Eroberungszug durch die ganze Welt. Wie sollte es auch anders sein? SchlieÃlich besitzt diese Figur die Ãberzeugungskraft eines Archetypusâ: Niki hat, ohne es zu wissen, die Urform einer Fruchtbarkeitsgöttin geschaffen!
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Uralt-Niki: Ich wusste gar nichts von der »Venus von Willendorf«, dieser Göttin aus der Altsteinzeit, als ich meine Nanas machte. Als ich dann zum ersten Mal ein Bild von ihr sah, war ich wie vom Donner gerührt. In mir existierten tatsächlich dieselben unbewussten Bilder wie in den Menschen, die vor rund 30 000 Jahren lebten!
»Hon« â »Sie«
Viel Aufsehen für Nikis neueste Kunst bringt das nächste groÃe Projekt. Pontus Hulten, der rührige Direktor des Moderna Museet in Stockholm, gibt den Anstoà dazu. Jean kennt ihn schon lange, und Niki traf ihn kurz nach ihren ersten SchieÃ-Sessions. Seitdem verbindet die drei eine tiefe Freundschaft.
Pontus hegt jetzt einen besonderen Plan: Für die Halle seines Museums wünscht er sich eine Riesenskulptur, die in Gemeinschaftsarbeit entstehen soll. Zu viert sitzen sie in
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