Nimm dich in acht
glänzt‹«, sang Janet.
Das könnte die Textzeile für das Opfer in diesem Jahr sein, überlegte Susan. Eine Neue. Eine Frau, die keine Ahnung hat, daß ein Todesurteil über sie gefällt wurde.
»›Doch vergiß nicht, wo auch immer du bist …‹« Janet sang den Song offenbar gern. Ihre Stimme wurde weicher, fügte eine wehmütige Note hinzu, als sie schloß: »›… du gehörst mir.‹«
Sobald Janet ihr Sprechzimmer verlassen hatte, rief Susan bei Chris Ryan an. »Chris, würdest du noch eine andere Person für mich überprüfen? Ich muß wissen, ob es irgendwelche Meldungen zu einer Frau gibt – vermutlich einer Touristin –, die vor vier Jahren Mitte Oktober verschwand.«
»Das dürfte nicht weiter schwierig sein«, versicherte Ryan. »Ich wollte dich auch gerade anrufen. Es geht um die Namen, die du mir heute morgen genannt hast. Die Passagiere auf den beiden Kreuzfahrtschiffen.«
»Was ist mit Ihnen?« fragte Susan.
»Diese Typen existieren nicht. Die Pässe waren gefälscht.«
Ich wußte es! dachte Susan. Ich wußte es!
Um zehn vor fünf an diesem Nachmittag erhielt Susan einen dringenden Anruf von Chris Ryan. Susan brach eine ihrer ehernen Regeln und ließ ihren Patienten allein, um den Anruf entgegenzunehmen. »Du hast auf die richtigen Knöpfe gedrückt, Susan«, sagte Ryan. »Vor vier Jahren verschwand eine neununddreißig Jahre alte Witwe aus Birmingham, Alabama, während sie in Ägypten war. Sie war auf einer Kreuzfahrt im Mittleren Osten unterwegs.
Offenbar nahm sie an einem geplanten Ausflug nicht teil, sondern ging allein weg. Ihre Leiche wurde nie gefunden, und man ging davon aus, daß sie angesichts der politischen Unruhen in Ägypten einem Anschlag einer der zahlreichen Terroristengruppen zum Opfer fiel, die den Sturz der Regierung auf ihre Fahnen geschrieben haben.«
»Ich bin ziemlich sicher, daß das nichts mit ihrem Tod zu tun hat, Chris«, erwiderte Susan.
Wenig später, als sie ihren Patienten zur Tür begleitete, wurde ein dickes Paket abgeliefert. Der Absender war Ocean Cruise Pictures Ltd. in London.
»Ich öffne es, Doktor«, erbot sich Janet.
»Nicht nötig«, sagte Susan. »Lassen Sie nur. Ich hole es mir später ab.«
Sie hatte noch mehrere Termine und würde sich erst gegen sieben von ihrem letzten Patienten verabschieden können. Dann hätte sie endlich Zeit, sich die Fotos anzuschauen, die möglicherweise das Gesicht des Mannes offenbaren würden, der Regina Clausen und so viele andere Menschen getötet hatte.
Sie brannte darauf, sich die Fotos sofort anzusehen. Die Identität dieses Killers mußte aufgedeckt werden, bevor ihm noch eine weitere Frau zum Opfer fiel.
Ein weiterer Grund, ihn umgehend zu finden, war Susan besonders wichtig: Sie wollte der sterbenden Jane Clausen sagen können, daß der Mann, der ihr ihre Tochter genommen hatte, nie wieder einer Mutter so weh tun würde.
101
Donald Richards traf am Montag morgen planmäßig im Flughafen von West Palm Beach ein. Dort wurde er von einer Abordnung seines Verlegers abgeholt und zu Liberty’s in Boca Raton gefahren, wo er um halb elf sein Buch signieren sollte. Als er ankam, war er freudig überrascht von der Menschenschlange, die schon auf ihn wartete.
»Wir haben noch vierzig telefonische Bestellungen hereinbekommen«, sagte der Buchhändler zu ihm. »Ich hoffe, Sie schreiben eine Fortsetzung zu Verschwundene Frauen.«
Weitere verschwundene Frauen? Ich glaube nicht, sagte Richards sich, als er an dem bereitstehenden Tisch Platz nahm, zu seinem Füllfederhalter griff und zu signieren begann. Er wußte, was heute geschehen würde, und ebenso wußte er, was er zu tun hatte; eine heftige innere Unruhe erfüllte ihn, am liebsten wäre er aufgesprungen und hinausgelaufen.
Eine Stunde und achtzig signierte Bücher später war er auf dem Weg nach Miami, wo um zwei Uhr die nächste Signierstunde angesetzt war.
»Tut mir leid, ich signiere nur – keine persönlichen Widmungen«, sagte er zu dem Eigentümer des Buchladens. »Es ist etwas dazwischengekommen. Ich muß Punkt halb drei aufbrechen.«
Kurz nach drei saß er wieder im Wagen.
»Nächster Halt Fontainebleau«, sagte der Fahrer aufgeräumt.
»Irrtum. Nächster Halt der Flughafen«, beschied Don ihn. Um vier Uhr ging ein Flugzeug nach New York. Und er hatte die feste Absicht, an Bord zu sein.
102
Am Montag morgen war Dee in Costa Rica eingetroffen und vom Flughafen direkt zum Hafen gefahren, wo ihr Kreuzfahrtschiff, die Valerie, gerade
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