Nimm dich in acht
– ob sie sehr große Angst ausgestanden hat?«
Regina hatte bestimmt furchtbare Angst, dachte Susan.
Mir ging es jedenfalls so. »Ich hoffe nicht«, sagte sie.
Jane Clausen sah zu ihr auf. »Susan, für mich zählt jetzt nur noch, daß ich bald bei ihr sein werde. Auf Wiedersehen, meine Liebe, und Dank für all Ihre Freundlichkeit.«
Als Susan im Aufzug hinunterfuhr, dachte sie an die Ereignisse der vergangenen Woche zurück. Konnte es wirklich erst so kurze Zeit her sein? War es wirklich erst vor neun Tagen, daß ich Jane Clausen zum ersten Mal begegnet bin? Ja, das Geheimnis um Regina Clausens Verschwinden war gelüftet worden, aber bis dahin hatten drei weitere Menschen sterben müssen, und eine vierte Person war schwer verletzt worden.
Sie dachte an Carolyn Wells und ihren Mann Justin.
Heute morgen hatte sie mit ihm gesprochen – Carolyn war aus dem Koma erwacht, und die Ärzte prophezeiten ihr jetzt eine völlige, wenn auch langwierige Genesung. Susan hatte sich bei ihm entschuldigen wollen; schließlich wären all diese furchtbaren Dinge weder Carolyn noch ihm widerfahren, hätte sie nicht Regina Clausens Verschwinden zum Thema ihrer Sendung gemacht. Justin hatte jedoch darauf bestanden, daß trotz der Qualen der vergangenen Woche alles einem bestimmten Zweck gedient habe. Er hatte vor, sich von Dr.
Richards
behandeln zu lassen, und hoffte, daß die Angst, die Anlaß zu Carolyns Heimlichtuerei gewesen war, aufhören würde, sobald er seine extreme Eifersucht in den Griff bekommen hatte. »Außerdem«, hatte Justin lachend hinzugefügt,
»hätte ich um keinen Preis der Welt den Anblick missen mögen, wie Captain Shea sich vor Verlegenheit wand, als er sich bei mir entschuldigte. Er dachte wirklich, ich sei der Killer.«
Zumindest werden er und Carolyn wieder leben, dachte Susan. Nicht jedoch die arme Tiffany Smith, und auch nicht die beiden anderen Menschen, die hatten sterben müssen – Hilda Johnson und Abdul Parki. Sie nahm sich vor, im Laufe der Woche zu Nat Small in der MacDougal Street zu gehen, um ihn wissen zu lassen, daß der Mörder seines Freund es gefaßt worden war.
Es hatte alles so harmlos angefangen. Susan hatte nur darüber sprechen wollen, wie einsame, arglose Frauen trotz aller Intelligenz und scheinbaren Erfahrung von selbstsüchtigen Männern zu fragwürdigen und manchmal tödlichen Beziehungen verleitet werden konnten. Es war ein zugkräftiges Thema, das für einige lebhafte Sendungen gesorgt hatte. Und für drei Morde, dachte sie. Dann fragte sie sich: Werde ich Angst haben, in Zukunft solche Hintergrundsendungen zu machen? Hoffentlich nicht.
Schließlich war ein Serienmörder aufgespürt worden; wer weiß, wen er sonst noch getötet hätte – außer mir und Dee.
Und noch etwas Gutes war daraus entstanden. Sie hatte Jane Clausen kennengelernt und ihr ein wenig Beistand leisten können. Und sie war Don Richards begegnet. Er war ein ungewöhnlicher Mensch, dachte sie – ein Psychiater, der sich selbst die Hilfe verwehrt hatte, die er anderen täglich anbot, und der doch letztlich die Kraft aufgebracht hatte, sich seinen Dämonen zu stellen.
Ich hätte verbluten können, wenn ich die ganze Nacht dort liegengeblieben wäre, dachte sie und zuckte zusammen, als die Wunden an ihren Schultern und ihrem Rücken schmerzten. Nachdem Don zu ihrer Praxis gekommen war und die Tür verschlossen vorgefunden hatte, war er, von plötzlicher Sorge getrieben, zu dem Wachmann im Foyer gelaufen. Gemeinsam mit ihm hatte er die Tür geöffnet und die Praxis durchsucht. Ich war noch nie im Leben so froh, einen Menschen zu sehen, dachte sie. Als er die Plastikhülle aufriß und mich hochhob – wie schön war es, diese Zärtlichkeit und Erleichterung in seinem Gesicht zu lesen.
Susan trat aus dem Aufzug, und Don Richards stand auf, um ihr entgegenzugehen. Sie sahen einander an – dann lächelte Susan, und er legte den Arm um sie. Eine Geste, die sie beide als das Natürlichste von der Welt empfanden.
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