Mein irisches Tagebuch
Das Haus am Kliff
Gleich hinter Glenbeigh, auf der nördlichen Route des Ring of Kerry, öffnet sich der Blick auf eines der eindrucksvollsten Panoramen Irlands.
Rechts, über die Schaumkämme der Dingle Bay hinweg, das Massiv der gleichnamigen Halbinsel, weißmähnige Gebirgszüge, geradezu aufgetakelt in ihrer schneeigen Pracht und sich langgezogen verlierend in der dunstigen Unendlichkeit des östlichen Atlantik.
Links, nahe der Straße, der felsige Fuß der Iveragh Peninsula, hohe Grate, von denen es flirrend herabstäubt, als würde ein riesiger Atem die glitzernden Kristalle erst nach unten fauchen und dann ungestüm zurück in den blauen Himmel blasen. Und irgendwo südlich, unsichtbar von hier, Kerrys steinernes Rückgrat, die Macgillicuddy’s Reeks und ihre Krone, Seine Majestät der Carrantuohill - mit 1038 Metern die höchste Erhebung der Insel.
Es stürmt. Der ewige Westwind jagt gewaltige Wolkenballen landein und hat alle Vegetation, jeden Baum in die gleiche Richtung gestemmt, nicht nur das nach Osten weitausgreifende, seewärts aber verkrüppelte Astwerk - die Stämme selbst sind verbogen von dem ständigen heulenden Schub.
Nun weiter auf dem Ring, nach Cahirciveen.
Durch das Städtchen und seine quirlige Hauptstraße hindurch, noch blicklos für anderes als das immer näher rückende Ziel, lenke ich meinen alten Ford gut fünf Kilometer hinter dem Ort nach rechts, wo Valentia Island ausgeschildert ist. Richtig, da drüben erblicke ich die helle Häuserfront von Knight’s Town, das gedrungene Leuchtfeuer mit dem roten Gürtel, den schmalen Sund bei Portmagee.
Bis hierher war die handgezeichnete Wegweisung meines Gastgebers aus Deutschland einfach nicht zu verfehlen.
Und dort vorn auch schon, wie beschrieben, die alte Brücke, hinter der scharf nach links abgebogen werden soll, dann durch flache Torflandschaft auf die Serpentinen mehrerer widerspenstiger Küstengrate zu und steil hindurch in den niedrigen
Gängen meines Autos. Oben sogleich die Belohnung - hinten das Amphitheater der St. Finan’s Bay mit der Granitstirn des Kap Bolus und vorn, ersehnter Markierungspunkt für die weitere Strecke, die moderne Kirche mit dem »stumpfen Turm« -trefflich charakterisiert.
An ihr vorbei den von Schlaglöchern perforierten Weg nach Norden entlang - hier, so werde ich belehrt, drohe die letzte Falle, den Weg zu verfehlen: »Nicht abzweigen nach Portmagee.«
Vermieden!
Dann die hohle Schlucht, der auf dem Papier drollig vermerkte Wasserfall, die Haarnadelkurve, Fuchsiensträuche und Stechginster, und ausschnitthaft zwischen den Heckenlücken, gleichsam unterbrochen wie in einem alten, langsam ablaufenden Stummfilm, der Ausblick auf die See. Das alles mit dem Gefühl, an diesem späten Nachmittag dem Ende der Welt immer näher gerückt zu sein, und in der Erwartung, nach der letzten überwundenen Höhe einer atemverschlagenden Erscheinung ansichtig zu werden - Great und Litde Skellig!
Wie zwei felsige Gralsburgen ragen die Inseln da aus dem tür-kisfarbenen Wasser. Die größere, nach dem Erzengel Michael benannt, ein Riesenzacken, nur schmal getrennt von der kleineren, die immer noch imposant genug ist.
Beide sind schwarzgrau und gischtumtost, beide in Dreiecksform hochgetürmt, mit dolchartig zulaufender Spitze - zwei wie in Jahrmillionen herausgemeißelte und von der Natur selbst ausgestellte Kunstwerke.
Ich rekapituliere von meinem luftigen Standort aus Angelesenes.
Auf dem Great Skellig liefern Quellen süßes Wasser - was Folgen hatte. Denn während seine verrotteten Gesteinsplatten Litde Skellig schwer begehbar machen, war Skellig Michael vom 5. bis ins 17. Jahrhundert bewohnt. Voran der Heilige St. Finan, hatten dort mehr als tausend Jahre und zweihundert Meter über dem Meeresspiegel Mönche gehaust, hatten auf einem Sattel zwischen verschieden hohen Felspyramiden ein Kloster gebaut und als Fachleute in Steinbau bienenkorbartige Hütten errichtet (beehive stone cells), mörtellos, trocken und sommers wie winters isolierend.
670 Stufen hatten sie bis hinauf zur Klostermauer und zu den Eingängen ihrer schmucklosen Unterkünfte in den harten Grund geschlagen, hatten den höchsten Punkt den »Stein der Buße« genannt, ihre Toten unter einem kleinen Erdhügel begraben und sich aufs Meer gewagt in gebrechlichen Booten aus Holz und mit Hammelfett bestrichenem Leder. Nichts davon ist erhalten geblieben.
Auch weiß niemand genau, wann sie gegangen sind, die Frommen von Skellig
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