Nimm dich in acht
entsprochen. »Komm jetzt gleich her. Du bist eine Berühmtheit. Und wir müssen dafür sorgen, daß du auch dementsprechend aussiehst.«
Eine Dreiviertelstunde später saß Tiffany vor einem Waschbecken, während ihr Haar die Farbe absorbierte.
Als sie wieder nach Hause kam, war es zwanzig nach vier.
Eine glänzende Haarflut umschmeichelte ihre Schultern, ihre Nägel waren frisch manikürt und dunkelblau lackiert.
Jill hatte sie ermutigt, den neuen Farbton auszuprobieren.
Ich muß in einer Viertelstunde los, ermahnte sie sich.
Schleichwerbung oder nicht, Tony konnte sich höllisch aufregen, wenn man zu spät zur Arbeit kam.
Dennoch nahm sie sich noch die Zeit, kurz mit dem Bügeleisen über die Bluse und den Rock zu fahren, in denen sie, wie sie wußte, besonders toll aussah. Wenn Matt kam, könnten sie um Mitternacht, wenn sie frei hatte, vielleicht in irgendeine nette Kneipe gehen, um sich einen Schlummertrunk zu genehmigen.
Sie zögerte, ob sie den Türkisring tragen sollte, der der Anlaß für ihre derzeitige Berühmtheit war, dann beschloß sie, es zu tun. Aber falls Matt auftauchte und ihn zufällig erwähnte, würde sie sich zurückhalten. Sie würde ihm den Ring nur ganz beiläufig zeigen …
Tiffany hatte gerade die Tür geöffnet, um die Wohnung zu verlassen, als das Telefon läutete. Ich lasse es klingeln, dachte sie, ich will jetzt nicht aufgehalten werden.
Andererseits könnte es auch Matt sein. Sie lief schnell durch das kleine Wohnzimmer in ihr noch kleineres Schlafzimmer und schaffte es, beim dritten Läuten den Hörer abzunehmen.
Es war Matts Mutter. Sie hielt sich nicht mit Grußformeln auf, sondern kam direkt zur Sache: »Tiffany, ich muß darauf bestehen, daß Sie im Radio nicht mehr über meinen Sohn sprechen. Matthew ist lediglich ein paarmal mit Ihnen ausgegangen. Er hat mir gesagt, daß ihr nichts mehr miteinander zu tun habt. In vier Wochen zieht er nach Long Island. Er hat sich gerade mit einer sehr hübschen jungen Frau verlobt, mit der er seit einiger Zeit zusammen ist. Also streichen Sie ihn bitte aus Ihrem Gedächtnis, und sprechen Sie nicht über Ihre Verabredungen mit ihm, vor allem, wenn seine Freunde oder seine Verlobte es hören könnten.«
Ein entschiedenes Klicken ertönte.
Völlig schockiert stand Tiffany eine volle Minute reglos da, den Hörer noch in der Hand. Verloht? Ich hatte nicht mal eine Ahnung, daß er sich mit einer Frau trifft, dachte sie und spürte, wie Verzweiflung sie überkam.
Tiffany knallte den Hörer auf die Gabel. Sie mußte zur Arbeit; ohnehin war sie viel zu spät dran. Tränen kullerten ihr aus den Augen, als sie die Stufen hinunterlief, ohne den Gruß des sechsjährigen Sohnes ihres Vermieters zu beachten, der auf der Veranda spielte.
Im Auto schlugen Kummer und Enttäuschung endgültig über ihr zusammen, und sie konnte kaum atmen wegen der heftigen Schluchzer, die ihren Körper schüttelten. Am liebsten hätte sie irgendwo angehalten und sich richtig ausgeweint, aber sie wußte, daß ihr dazu die Zeit fehlte.
Als sie am ›Grotto‹ ankam, suchte sie sich statt dessen eine abgelegene Stelle auf dem Parkplatz und blieb einen Augenblick im Wagen sitzen. Dann holte sie ihre Puderdose heraus. Sie mußte sich zusammennehmen. So konnte sie nicht ins Lokal gehen; niemand sollte sehen, daß sie über einen Blödmann heulte, der schleimigen Fisch aß und sie nur in die miesesten Filme mitgeschleppt hatte. »Wer interessiert sich schon für den?« fragte sie laut.
Eine neue Schicht Grundierung, frischer Lidschatten und Lippenstift halfen, den Schaden zu beheben, wenn ihre Lippen auch nicht aufhören wollten zu zittern. Wenn du mich nicht willst, will ich dich eben erst recht nicht, dachte sie wütend. Ich hasse dich, Matt. Du Stinkstiefel!
Es war eine Minute vor fünf, sie mußte sich allmählich in Bewegung setzen. Daß Tony jetzt über sie herfiel, hatte ihr gerade noch gefehlt.
Auf dem Weg zur Küchentür kam sie an der Mülltonne vorbei. Sie blieb kurz stehen und sah sie an. Mit einer schwungvollen Bewegung zog sie sich den Türkisring vom Finger und warf ihn hinein; er verschwand in einem halboffenen Plastiksack, der mit Abfällen von der Mittagsschicht vollgestopft war. »Der öde Ring hat mir nichts als Pech gebracht«, murmelte Tiffany, dann lief sie zur Küchentür, schob sie auf und rief: »Hallo, Leute, hat Tony die Superschleichwerbung gehört, die ich diesem miesen Laden heute verschafft hab’?«
52
Susans Zwei-Uhr-Patient
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