Ninragon - Homunkulus
ihr gewühlt, während sie sich in der Schlafkoje des Gardehauses gewälzt hatte. Und das alles hatte nicht dazu beigetragen, dass sie sich jetzt am Morgen ruhiger fühlte, ganz im Gegenteil. Sie hatte, wie die Meutenhunde sagten, Blut in den Augen. Diese Augen hatten in der letzten Nacht ja auch genügend an Blut zu sehen bekommen. Blut, das über den kahlen Boden der Marnak-Ställe geströmt war.
Aus dem Innenhof des Milizpräsidiums stürmte sie durch die Tür, die Treppen hoch, zwei Stufen in einem Schritt. Sie biss die Zähne zusammen, spürte dabei, wie weit sie die Lippen gebleckt hatte. Na gut, dann würde sie also mit diesem Raubtiergesicht zu ihm hineinstürzen. Und Banátrass Sekretär sollte sich vorsehen, wie er ihr kam. Der wäre ihr gerade recht.
Das musste ihm doch reichen, diesem Lackel von Ordensmann, er hatte was er wollte, bis auf den letzten Mann, eine Bande zur Strecke gebracht, na, wenn das kein Blutpreis war, den Banátrass seinerseits seinen Kinphaurenherren zu Füßen legen konnte, der wieselnde, intrigante Drecksack!
Sie stürmte in Banátrass Vorzimmer. Kein Sekretär zu sehen.
Sie wollte die Klinke packen, die Tür zu Banátrass Arbeitszimmer aufreißen, als gedämpfte Stimmen sie davon abhielten.
Im Zimmer ihres Milizhauptmanns sprach jemand. Zwei Stimmen. Sie blieb stehen und lauschte. Irgendetwas, ein scharf aufblitzender Instinkt in ihr, ließ sie trotz ihrer rasenden Wut innehalten.
Die eine Stimme, das war Banátrass, eindeutig. Und die andere? Sie lauschte; sie konnte die Worte verstehen.
»Ich hatte Sie gewarnt, dass Sie mir Erfolge bringen sollen. Dass Sie sie antreiben, ihrer Arbeit nachzugehen. Dass Sie mir den gestohlenen Homunkulus herschaffen sollten.«
Jemand der gegenüber Banátrass Drohungen aussprach? Die sie nur allzu gut kannte? Jemand der Banátrass seinerseits mit diesen Dingen unter Druck setzte?
Sie kannte sie, diese Stimme. Das konnte nur einer sein. Var’n Sipach Dharkunt. Bevollmächtigtes Beil des Roten Dolches. Richter und Exekutor des Heereskommandanten von Rhun.
Aha. Das war allerdings mehr als interessant.
Aber sie hatte doch keine Kutsche im Hof gesehen. War sie in die Ställe der Druvernsburg gefahren worden? Um kein Aufsehen zu erregen?
Jetzt wieder Banátrass’ Stimme. »Der Homunkulus ist noch in der Stadt. Sie können ihn nicht herausschaffen. Alle Wege sind gesperrt. Und Kuidanak ist ihm auf den Fersen. Es kann sich nur noch um …«
»Ich will diesen Homunkuluskörper haben«, unterbrach var’n Sipachs Stimme ihn jäh. »Und Sie werden ihn mir beschaffen. Ich ziehe Ihren Hals aus der Schlinge. Ich helfe Ihnen zu verhindern, auf diesem Spielfeld, das wohl etwas zu groß für Sie ist, eine Kinphaurenklinge zwischen die Rippen zu bekommen. Morgen ist Ihre Chance. Und dafür will ich Erfolge sehen. Ich will den Homunkuluskörper in meiner Hand.«
Eine Pause entstand hinter der Tür.
In der Banátrass es anscheinend nicht wagte, das Wort zu ergreifen.
»Das ist Ihre letzte Chance, Banátrass. Nach der Sache im Tragent. Eine weitere werden Sie nicht bekommen. Ich habe zugestimmt, dass Sie hier Ihre Pläne in die Tat umsetzen können, die Miliz in eine Waffe gegen die Marodeure umzuformen. Ein etwas ungewöhnliches Vorgehen, aber Sie haben mich so weit überzeugt, dass ich Sie einen Versuch wagen lassen wollte. Bisher habe ich nichts gesehen, was für den Erfolg Ihrer Pläne spricht.«
Danak erstarrte am ganzen Körper. Die Miliz zu einer Waffe gegen die Rebellen umformen? Das heißt, es steckte System hinter dem, wozu man sie in den letzten Wochen getrieben hatte. Das alles war Banátrass Plan.
»Ich gebe Ihnen diese einmalige Waffe in die Hände, um Ihre Probleme zu lösen. Ich gebe Ihnen einen Ort. Eine Sache, eine einzige Sache verlange ich dafür …«
Var’n Sipachs Stimme schwoll weiter an. Es schien, als würden sie sich dem Abschluss des Gesprächs nähern. Sie hatte genug gehört. Sie hatte mehr als genug gehört. Und sie hatte mehr Glück als Verstand gehabt. Dass der Sekretär gerade nicht anwesend war. Dass der Ankchoraik wahrscheinlich mit im Zimmer war und nicht vor der Tür als Wache stand.
Jetzt schnell weg. Raus aus dem Vorzimmer. Bevor sie jemand bemerkte. Zurück in den Hof. Raus aus der Druvernsburg. Bevor hier noch etwas Unerfreuliches und Blutiges geschah.
Davon hatte sie in dieser Nacht genug erlebt. Davon hatte sie genug in den Augen.
Var’n Sipach verließ seine Amtsstube, der Koloss des Ankchoraik
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