Nita und der Cop
dem anfreunden, was die Graffitis sagten. Sie hatten nichts mit dem üblichen Mist von Gangmitgliedern zu tun, sondern waren eindeutig das Werk eines Umweltschützers. Eines veganen Umweltschützers, wenn man nach einem der Schriftzüge ging, der sich über zwei Gebäude zog: „Füttert nicht die Kühe, sondern die Menschen.“ Craigs Lieblingsgraffiti war ein unglaublich detailliertes, wunderschönes Bild der Erde, unter dem stand: „Die Erde. Gebt sie weiter.“
„Ich verstehe Ihr Problem, Mrs Brewer“, sagte er, als der Redefluss kurz abbrach, weil sie Luft holen musste. „Aber ich bin für Kapitaldelikte zuständig, und mein Vorgesetzter würde mir die Hölle heiß machen, wenn ich meine knappe Zeit für so etwas opfern würde. Ich habe heute schon zwei neue Fälle reinbekommen, und hier liegen noch Dutzende andere, deren Spuren mit jedem Tag kälter werden. Das Beste, was ich unter diesen Umständen für Sie tun kann, ist, die Streife zu informieren, damit sie sich der Sache annimmt. Wenn Tante Gena selbst angerufen hätte, müsste ich ihr genau das Gleiche sagen.“
Das war nicht ganz richtig. Es gab sehr wenig, was er für Tante Gena nicht getan hätte, wenn sie ihn darum gebeten hätte. Der Rest entsprach allerdings der Wahrheit, vor allem das schier erdrückende Arbeitspensum. Da der gerade erst neu gewählte Bürgermeister die Haushaltsausgaben mit aller Macht senken wollte, würden sie wohl auch die Verstärkung nicht bekommen, auf die sie sich verlassen hatten. Nachdem er Mrs Brewer noch einige Male versichert hatte, dass die Streife nach dem Rechten sehen würde, konnte er sie endlich dazu bringen, aufzulegen. Ein kurzer Anruf bei der Streife und das Ganze war nicht mehr sein Problem.
Zu dumm, dass er seine privaten Probleme nicht genauso einfach aus dem Weg räumen konnte. Ray Morgan, einer seiner Kollegen in der Abteilung für Kapitaldelikte, versuchte schon länger, ihn mit einer Reporterin zu verkuppeln, einer Freundin seiner Frau. Oder besser gesagt, Rays Frau Grace versuchte, ihn zu verkuppeln. Warum war es so schwer zu verstehen, dass er kein Interesse an einer Beziehung hatte? Menschen, die so verdammt glücklich waren, konnten einem wirklich den letzten Nerv rauben. Am anderen Ende der Beziehungsskala gab es dann noch Denis Dallaire, den er ebenfalls ständig abwimmeln musste. Dallaire war frisch geschieden und seit seiner Scheidung immer auf Achse, von einer Bar in die nächste. Für ihn war es anscheinend unvorstellbar, dass nicht jeder alleinstehende Mann jede Nacht irgendwelchen Frauen nachsteigen wollte. Nicht, dass Craig das nicht schon zur Genüge getan hätte. Aber unterdessen hatte er einfach das Gefühl, dass es die Mühe nicht wert sei, und das frustrierte ihn tierisch. Er war erst vierunddreißig, verdammt noch mal. Ein gesunder vierunddreißigjähriger Mann sollte doch wohl Lust haben, durch die Bars zu ziehen und Frauen aufzureißen. Dass das nicht der Fall war, brachte ihn beinahe dazu, Denis‘ Einladung doch noch anzunehmen.
Oder auch nicht. Zu anstrengend. Nicht so sehr, eine zu finden, sondern vor allem, sie hinterher wieder loszuwerden. Und dann war da noch dieses vage Gefühl der Leere, das danach immer zurückblieb. Natürlich hätte er das niemals zugegeben. Vor allem nicht in Hörweite von Ray Morgan. Sonst hätte er vor Graces Verkupplungsabsichten gar keine Ruhe mehr.
Er hatte sich gerade erneut in den Bericht seiner letzten Festnahme vertieft, als das Telefon schon wieder klingelte. „Walker.“
„Detective, hier ist Nita Reynolds.“
Er hatte sich bereits aufgesetzt, bevor sie ihren Namen genannt hatte. Diese Stimme hätte er überall wiedererkannt. Selbstsicher, zurückhaltend, aber mit einem gewissen Anklang von Leidenschaft, tief darunter verborgen und deshalb nur umso anziehender. Genau das strahlte auch ihr Äußeres aus.
„Ah, Ms Reynolds.“ Er unterdrückte die verworrenen Gefühle, die sie immer in ihm weckte. „Lassen Sie mich raten. Sie vertreten den äußerst geschäftstüchtigen Edward Rayburn, der versucht hat, einen Käufer für die Tochter seiner Freundin zu finden, solange besagte drogenabhängige Freundin noch ihre Haftstrafe absitzt.“
„Ich glaube, Sie meinen, dass man ihm vorwirft , Menschenhandel geplant zu haben“, korrigierte sie. „Aber nein. Ich vertrete ihn nicht. Ich rufe nur an …“
„Natürlich. Gordon Bohner. Ich habe mich schon gefragt, wen er dazu bringen könnte, ihn zu vertreten.“ Der Gedanke daran, was
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