Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
no_way_out (German Edition)

no_way_out (German Edition)

Titel: no_way_out (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Gabathuler
Vom Netzwerk:
letzten Mal. Der Rest war, als hätte jemand den Film angehalten und zurückgespult. Meine Tasche stand wieder auf dem Sideboard, daneben lagen in einem kleinen, ordentlichen Stapel meine Kleider. Neben dem Möbel glänzten meine millimetergenau ausgerichteten Stiefel.
    Diesmal ließ ich die Tasche stehen und nahm nur meine Kleider mit ins Bad. Aus dem Spiegel blickte mir immer noch ein Zombie entgegen, aber statt eines Verbandes bedeckte jetzt ein großes Pflaster die Wunde am Kopf. Erst jetzt fiel mir auf, dass es in meinem Kopf ruhig war. Mein Bein war etwas taub, aber es schmerzte nicht. Auch das Anziehen fiel mir wesentlich leichter als beim letzten Versuch und sogar den Wasserhahn hatte ich so weit unter Kontrolle, dass ich Frau Blitzblanksauber keine Schweinerei hinterlassen würde. Beim Gedanken an Frau Blitzblanksauber kicherte ich los und konnte kaum mehr aufhören. Das fand ich das Unheimlichste am Ganzen. In Doc Walters Spritze musste ein ganz abgedrehter Mix gewesen sein. Nun, wenn er mir die Schmerzen nahm, sollte es mir recht sein. Schon fast gut gelaunt über die Aussicht, diesen Ort hinter mir lassen zu können, humpelte ich zurück ins Zimmer.
    Dort wartete Jake auf mich. Er saß auf meinem Bett und schaute zu, wie ich stehen blieb und mich am Sideboard festhielt. In dieser Familie schien niemand etwas von Anklopfen zu halten.
    »Ich habe angeklopft«, beantwortete Jake die Frage, die ich gar nicht gestellt hatte. »Wahrscheinlich hast du mich nicht gehört.«
    Das war kein Grund, einfach hereinzuplatzen. Andererseits gehörte das Haus ihm, und sein Doc hatte mich zusammengeflickt. Vielleicht sollte ich etwas dankbarer sein.
    »Wie geht’s dir?«, fragte er mich im Tonfall eines besten Kumpels.
    »Besser«, antwortete ich.
    »Das wollen wir nach drei Tagen im Nirwana doch hoffen.« Er lachte. »Du bist noch verrückter, als ich dachte. Dich mit einer Gehirnerschütterung davonstehlen zu wollen! Ziemlich unvernünftig, findest du nicht?«
    Unvernünftig? Verglichen mit dem, was in seiner Familie so üblich zu sein schien, kam ich mir schon fast unnatürlich vernünftig vor.
    »Drei Tage Nirwana?«, fragte ich.
    »Wir haben dich schlafen lassen wie Dornröschen.« Jakes Lachen, das der Bemerkung folgte, klang nicht ganz echt. Eher so, als ob er wusste, dass seine Frau gern junge männliche Dornröschen wachküsste. Dazu passte, wie er mich nach seinen Worten genau beobachtete. Die kleine Musterungspause dauerte höchstens zwei oder drei Sekunden, dann redete Jake weiter, als ob nichts geschehen war. »Du bist noch nicht wieder ganz auf dem Damm. Betrachte dich als unseren Gast. Du kannst bleiben, solange du willst.«
    »Ich möchte gehen«, antwortete ich.
    Jake nickte und stand auf. »Hast einen ziemlich dicken Schädel, nicht wahr?«
    Nun, sein Wagen hatte ihn nicht kaputtgekriegt. Das war immerhin etwas. Ich schwieg.
    »Du solltest trotzdem noch ein paar Tage hierbleiben«, riet er mir.
    »Ich komme schon klar.«
    Jake schien mit dieser Antwort gerechnet zu haben. »Ich schulde dir noch was für unseren kleinen Zusammenprall. Bleib heute zum Abendessen und dann fahre ich dich morgen, wohin du willst, und setze dich dort ab.«
    Ich hatte weder auf ein Abendessen mit Jakes Familie noch auf eine Fahrt mit ihm Lust. Wenn er das Gefühl hatte, mir etwas zu schulden, konnte er mir Geld geben. Das sagte ich ihm jedoch nicht. Ich wollte weder als Erpresser noch als Bettler dastehen. Es gab so etwas wie Würde. Auf der Straße war sie nicht viel wert, aber mir bedeutete sie was. Sie unterschied mich von den armseligen Kreaturen, die mit gesenktem Blick in Fußgängerpassagen standen, einen Pappbecher in der Hand, mit der Hoffnung auf ein paar Münzen.
    Ich hatte mit Smiley darüber geredet. Er fand nichts dabei an dieser Pappbechernummer, für ihn war das die Show, die dazugehörte. »Hauptsache, Kohle«, hatte er gesagt, »und Hauptsache, ohne krumme Dinger.« Man konnte es so sehen, wenn man wollte.
    Ich wollte nicht. Das mit den krummen Dingern für die Kohle war eine andere Sache. Deshalb ließ ich mich von Frauen wie Jakes Lady nach Hause nehmen, weil es allemal besser war als Klauen, und auch besser als die Pappbechernummer. Das hatte ich Smiley nicht verraten. Ich denke, er hätte mir die Pappbecher dann noch eindringlicher empfohlen.
    Jake schien keine Antwort von mir zu erwarten. Er hatte eine Einladung ausgesprochen, aber mir war klar, dass sie ein Befehl gewesen war. Ich mochte keine Befehle.

Weitere Kostenlose Bücher