no_way_out (German Edition)
Jake zu widersprechen, mochte ich genauso wenig. Also sagte ich nichts und entschied, mich in einem unbeobachteten Augenblick davonzumachen.
»Alles klar?«, fragte Jake.
»Alles klar.«
Wir wussten beide, dass nichts klar war. Das Zeug, das Walter mir reingejagt hatte, war viel mehr als nur etwas gegen die Schmerzen und drei Tage Bettruhe hatten meinem Körper zwar gutgetan, um ganz zu heilen, hatte es nicht gereicht.
»Dann ist ja gut.«
Jake verließ das Zimmer durch die Glastür. Ich schaute ihm nach. Im Pool schimmerte himmelblaues Wasser. Das Sprungbrett lag verlassen da. In meinen Schläfen begann der Puls zu pochen und ein paar Herzschläge lang vergaß ich zu atmen. Ich sah eine Spinne, die das Foto meiner Schwester zerriss und dabei hämisch lachte. Über meine Wange fuhr ein kühler Finger, ich hörte ein »Wow«, von dem ich nicht wusste, was es sollte. Vielleicht hatte ich all das nur geträumt, ein irrwitziger, fiebriger Traum, einer von vielen. Seit ich hier war, waren sie schlimmer geworden, meine Träume. Schlimmer als seit Jahren.
Ich schob die Gedanken an meine Träume beiseite, zog die Springer an und trat ins Freie. Den Rücken gegen die Hauswand gelehnt gab ich vor, mich nur ein wenig in der Sonne ausruhen zu wollen. In Wahrheit sah ich mich um und checkte, ob die Luft rein war.
Der moderne Holzbau mit den großen Glasfassaden und dem Flachdach bestand aus zwei Stockwerken und war L-förmig angelegt. Am kürzeren Ende befand sich eine riesige Holzveranda, die mit den vielen Topfpflanzen und edlen Möbeln an Hollywoodfilme erinnerte, in denen wunderschöne Menschen in teuren Kleidern und einem Glas in der Hand herumstehen, viel lächeln und sich über unwichtige Dinge unterhalten.
Im Stockwerk über der Veranda lagen hinter einem Balkon ein oder zwei Zimmer, entweder Schlafzimmer oder Arbeitsräume. Die ganze Längsseite war mehr oder weniger eine einzige Glasfront, an der sich eine Verlängerung der Holzveranda entlangzog, auch sie mit exotischen Pflanzen in großen Kübeln ausgestattet, jedoch nur etwa zwei Meter breit. Parallel zu der Veranda verlief über die ganze Hauslänge der Pool. Gegenüber dem Zimmer, in dem ich die letzten Tage verbracht hatte, stand eine Art Gartenhaus, ebenfalls aus Holz und dicht mit Kletterpflanzen bewachsen. Zwischen dem Gartenhaus und der Hollywoodveranda hatte jemand drei Liegestühle aufgestellt, wie meine Schuhe millimetergenau ausgerichtet.
Das Wasser im Becken schimmerte in der Sonne, gerade so, als ob Frau Blitzblanksauber auch hier im Einsatz gewesen wäre. Wenn es die zerrissenen Fotokonfettis je gegeben hatte, waren sie längst verschwunden. Es hatte keinen Sinn, nach etwas Ausschau zu halten, das wahrscheinlich nur in einem schrägen Traum passiert war. Trotzdem ließ ich meinen Blick über den Pool gleiten. Nichts. Nicht einmal tote Insekten an der Oberfläche. Vielleicht sollte ich die Blechschachtel in meiner Tasche noch einmal durchsuchen. Doch kurz bevor ich meine Augen vom Pool abwandte, entdeckte ich etwas, das kaum sichtbar unter dem Beckenrand klebte. Ein Teil eines verwelkten Blütenblatts. Der verklebte Flügel eines Nachtfalters. Oder ein Fetzen Fotopapier.
Ich stand auf und hinkte zum Pool. Ziemlich steif kauerte ich mich hin, beugte mich über den Rand und klaubte das nasse Irgendwas von der Beckenwand. Es war weder ein Blütenblatt noch der Flügel eines Nachtfalters. Es war ein aufgeweichtes Stück Papier. Darauf etwas zu erkennen war unmöglich. Das war auch nicht nötig. Ich hatte nicht geträumt. Die Tusse hatte wirklich mit mir gespielt wie die Spinne mit der Fliege.
Ein letzter Blick in Richtung Haus noch. Ich glaubte, in einem der Zimmer hinter dem Balkon im oberen Stockwerk eine Gestalt stehen zu sehen. Die Spinnentusse? Ich blinzelte, und als ich wieder hinsah, war sie verschwunden. Auf der Veranda war niemand. In dieser ganzen Protzkulisse konnte ich keine Menschenseele entdecken. Die Luft war rein. Ich konnte endlich gehen.
steff gurin @guitarman_steff
An manchen Tagen ist das Leben ein schlechter Trip. Was, wenn jeder Tag so einer wäre? #GfLeon
Ich schaffte es beinahe. Die Tasche in der Hand, den Platz mit der Einfahrt vor den Augen, fehlten mir nur noch wenige Meter, als ich eine schwere Stimme hörte. Sie kam aus einem der Korbsessel hinter einer Topfpflanze.
»Du wirst doch nicht gehen, ohne dich von mir zu verabschieden.«
Doch. Genau das hatte ich vorgehabt. Und ich hätte schwören
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