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Noble House 02 - Gai-Jin

Noble House 02 - Gai-Jin

Titel: Noble House 02 - Gai-Jin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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voll Tränen, weil sie sich vorstellte, sie sei die Mutter, die an ihren Sohn schrieb.
    »Das ist alles? Kein Postskriptum?«
    »Nein, chéri, sonst nichts, nur ›Deine Dir ergebene Mutter‹. Wie tapfer sie ist! Ich wünschte, ich könnte ebenso tapfer sein.«
    Sie reichte ihm den Brief, trat ans Fenster, das auf den Hafen hinausging, öffnete es und trocknete sich die Augen. Die Luft war frisch und verscheuchte den Krankenzimmergeruch. Was nun? Ihm helfen, möglichst schnell von hier weg- und nach Hongkong zurückzukommen. Aber Moment… Wird seine Mutter unsere Heirat billigen? Ich weiß es nicht. Würde ich es an ihrer Stelle tun?
    Hinter ihr wurde die Tür geöffnet, und ohne anzuklopfen kam Ah Tok mit einem kleinen Teetablett herein. »Neh hoh mah, Mass’r«, guten Tag, sagte sie, und ihr strahlendes Lächeln entblößte die beiden Goldzähne, auf die sie sehr stolz war. »Mass’r schlaff gut, heya?«
    Auf kantonesisch, das er fließend sprach, gab Malcolm zurück: »Hör mit dem albernen Kauderwelsch auf.«
    »Ayeeyah!« Ah Tok war Kantonesin, Struans persönliche Amah, die sich seit seiner Geburt um ihn kümmerte und sich deshalb über sämtliche Konventionen hinwegsetzte. Sie nahm kaum Notiz von Angélique, sondern konzentrierte sich auf Struan. Korpulent, kräftig und sechsundfünfzig, trug sie den traditionellen weißen Kittel, schwarze Hosen und den lang auf dem Rücken hängenden Zopf, der bedeutete, daß sie sich für die Rolle der Amah entschieden und somit geschworen hatte, ihr Leben lang keusch zu bleiben und niemals eigene Kinder zu haben, die ihre Loyalität beeinträchtigen konnten. Ihr folgten zwei kantonesische Diener mit Handtüchern und heißem Waschwasser. Lautstark befahl sie ihnen, die Tür zu schließen. »Mass’r bade, heya?« sagte sie betont zu Angélique.
    »Ich werde später wiederkommen, chéri«, erklärte das junge Mädchen. Struan antwortete nicht; er nickte nur, lächelte ebenfalls und starrte dann wieder gedankenverloren auf den Brief. Angélique ließ ihre Tür angelehnt. Ah Tok knurrte mißbilligend, drückte sie energisch ins Schloß, befahl den anderen beiden, sich mit den Vorbereitungen zum Waschen ihres Herrn zu beeilen, und reichte ihm den Tee.
    »Danke, Mutter«, sagte er auf kantonesisch mit dem üblichen Höflichkeitstitel für einen ganz besonderen Menschen, der ihn gehegt und gepflegt, behütet und beschützt hatte, als er noch hilflos war.
    »Schlechte Nachrichten, mein Sohn«, sagte Ah Tok – die Neuigkeit hatte sofort die Runde durch die chinesische Gemeinde gemacht.
    »Schlechte Nachrichten.« Er trank einen Schluck Tee, der ihm sehr gut schmeckte.
    »Wenn du gewaschen bist, wirst du dich wohler fühlen, dann können wir reden. Die Zeit war gekommen, daß dein Ehrenwerter Vater zu den Göttern einging. Nun ist er dort, und du bist Tai-Pan, also ist aus Schlechtem Gutes erwachsen. Nachher werde ich dir noch einen besonderen Tee bringen, den ich für dich gekauft habe, damit er all deine Beschwerden heilt.«
    »Ich danke dir.«
    »Du schuldest mir ein Tael Silber für die Medizin.«
    »Den fünfzigsten Teil.«
    »Ayeeyah, mindestens die Hälfte.«
    »Ayeeyah, den zwanzigsten Teil, Mutter.« Ohne darüber nachzudenken, feilschte er automatisch, aber nicht unfreundlich. »Und wenn du protestierst, werde ich dich daran erinnern, daß du mir sechs Monate Lohn schuldest, die ich dir für die Beerdigung deiner Großmutter vorgeschossen habe – ihre zweite.«
    Einer der Diener hinter ihr kicherte, aber sie tat, als bemerke sie nichts.
    »Wenn du meinst, Tai-Pan.« Sie setzte den neuen Titel wirklich klug ein; dann fuhr sie die beiden Männer an, die ihn geschickt und behutsam wuschen: »Beeilt euch mit eurer Arbeit! Muß mein Sohn, der Tai-Pan, eure ungeschickten Handreichungen den ganzen Tag lang ertragen?«
    »Ayeeyah«, murmelte einer von ihnen unklugerweise.
    »Nimm dich in acht, du mutterloser Hurenbock«, sagte sie zuckersüß in einem Dialekt, den Struan nicht so gut beherrschte. »Und jetzt macht weiter, und wenn ihr meinen Sohn auch nur reizt, wenn ihr ihn rasiert, werde ich euch den bösen Blick auf den Hals hexen. Ihr behandelt meinen Sohn wie kaiserliche Jade, oder ich lasse eure Eier pulverisieren – und belauscht niemals eure Vorgesetzten!«
    »Vorgesetzte? Ayeeyah, Alte, du kommst aus Ning Tok, einem Misthaufen von Dorf, das nur für seine Furze berühmt ist.«
    »Ein Tael Silber darauf, daß diese zivilisierte Person dich heute abend fünf von

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