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Noble House 02 - Gai-Jin

Noble House 02 - Gai-Jin

Titel: Noble House 02 - Gai-Jin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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lange, prägte es sich unauslöschlich ins Gedächtnis. Ein tiefer Seufzer. Vorsichtig hielt sie eine Ecke an die Ölflamme. »Mit deiner Erlaubnis, Yoshi-sama, bitte?« fragte sie formell und sah ihn mit stetem Blick und ruhigen Händen an.
    »Warum?« fragte er verwundert.
    »Zu gefährlich für dich, derartige Gedanken am Leben zu lassen.«
    »Und wenn ich mich weigere?«
    »Dann, bitte verzeih, muß ich an deiner Statt entscheiden.«
    »Dann entscheide.«
    Sofort senkte sie das Papier in die Flamme. Es fing Feuer und loderte auf. Geschickt drehte sie es, bis nur noch ein winziger Fetzen brannte, dann legte sie es behutsam auf einen anderen Papierbogen, und die Flamme erstarb. Schweigend faltete sie das Papier, das die Asche enthielt, zu einem Ogami und legte es wieder auf den Tisch. Der Papierbogen glich nun einem Karpfen.
    Als Koiko wieder aufblickte, standen ihre Augen voll Tränen, und er war gerührt. »Es tut mir leid, bitte verzeih«, sagte sie mit erstickter Stimme. »Aber es ist zu gefährlich für dich… So schade, so viel Schönheit zu zerstören, ich hätte es so gern behalten. So furchtbar schade, aber viel zu gefährlich…«
    Zärtlich nahm er sie in die Arme. Wie er wußte, war das, was sie für ihn getan hatte, die einzige Lösung für ihn und für sie. Ihr Scharfblick erschreckte ihn, denn sie hatte seine ursprüngliche Absicht erkannt: daß er geplant hatte, das Gedicht so zu verstecken, daß es gefunden und an alle weitergegeben wurde, die sie genannt hatte, vor allem an Prinzessin Yazu.
    Koiko hat recht. Yazu hätte meinen Plan durchschaut und meine wirklichen Gedanken erraten: daß ihr Einfluß auf Nobusada zunichte gemacht werden muß, weil ich sonst ein toter Mann bin. Ohne Koiko hätte ich gleich meinen Kopf auf Yazus Pfahl stecken können! »Nicht weinen, Kleines«, murmelte er, nunmehr überzeugt, daß er ihr vertrauen konnte.
    Und während sie sich von ihm trösten und dann wärmen ließ, um anschließend ihn zu wärmen, dachte sie in ihrem dritten, ihrem heimlichsten Herzen – das erste war für alle Welt zu sehen, das zweite nur für ihre engste Familie, das dritte nie, niemals für irgendeinen anderen Menschen –, in diesem geheimen Herzen seufzte sie vor Erleichterung darüber, daß sie wieder eine Probe bestanden hatte, denn mit Sicherheit hatte er sie auf die Probe gestellt.
    Zu gefährlich für ihn, einen solchen Schatz zu behalten, doch weit gefährlicher noch für mich, ihn in meinem Besitz zu haben. O ja, mein schöner Herr, es ist leicht, dich zu bewundern, mit dir zu lachen und zu spielen, Ekstase vorzutäuschen, wenn du in mich eindringst – und göttergleich der Gedanke, daß ich am Ende eines jeden Tages, und zwar Tag für Tag, einen Koku verdient habe. Denke daran, Koiko-chan! Ein Koku jeden Tag dafür, daß du an dem erregendsten Spiel auf Erden teilnimmst, mit dem erhabensten Namen auf Erden, mit einem jungen, ansehnlichen, erstaunlichen Mann von großer Kultiviertheit, dessen Stengel der beste ist, den ich jemals erlebt habe… und zugleich mehr Reichtum zu erwerben als irgend jemand jemals zuvor.
    Ihre Hände, ihre Lippen und ihr Körper reagierten geschickt, schlossen sich, öffneten sich, öffneten sich weiter, empfingen ihn, leiteten ihn. Sie war wie ein exquisites, fein gestimmtes Instrument, auf dem er spielen konnte, täuschte perfekt Ekstase vor, tat so, als lasse sie sich gehen, ohne es je wirklich zu tun – schließlich mußte sie ihre Kraft und ihren Verstand bewahren, denn er war ein Mann mit vielfältigen Wünschen –, genoß den Wettstreit, drängte niemals zur Eile, führte ihn nur sehr behutsam weiter, hielt ihn unmittelbar vor der Grenze an, ließ ihn los, zog ihn zurück, ließ ihn los, zog ihn zurück und ließ ihn in einem Krampf der Erleichterung endlich los.
    Ganz ruhig nun. Stoisch, reglos, um ihn nicht in seinem Frieden zu stören, ertrug sie sein schlafendes Gewicht. Er war mit ihrer Kunst ebenso zufrieden wie mit der eigenen, das wußte sie. Ihr letzter, geheimster, begeisterndster Gedanke, bevor auch sie in den Schlaf hinüberglitt, war: Ich möchte wissen, wie Katsumata, Hiraga und ihre Shishi-Freunde die Worte ›Schwert meiner Väter‹ auslegen…

14
    Montag, 1. Oktober
    Im Dämmerlicht tobte wenige Meilen südlich von Kyōto ein heftiges Nachhutgefecht zwischen flüchtenden Satsuma-Truppen und Choshu-Streitkräften Lord Ogamas, die ihnen vor kurzem die Kontrolle über die Palasttore entrissen hatten. Katsumata, der

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