Noch einmal leben
Loeb verheiratet.“
„Na bitte, sie ist ein Loeb. Ist sie denn nicht eingeladen?“
„Ich nehme stark an, daß sie eingeladen ist. Warum auch nicht?“
„Ich weiß, daß sie eingeladen ist. Ich habe die komplette Gästeliste vor mir liegen. Mr. und Mrs. David Loeb – das ist doch deine Schwester, nicht wahr?“
„Stimmt.“
„Prima. Na, was passiert wohl, wenn sie Kaufmann anruft und ihm, mal angenommen, sagt, daß sie sich über Kuba in der Luft befindet und in etwa fünf Minuten landen will? Und sie habe eben ihren kleinen Bruder Charlie zur Party mitgebracht? Meinst du, Kaufmann sagt dann nein, schick den Halunken wieder heim?“
„Er wird an die Decke gehen, John.“
„Dann laß ihn hochgehen. Er wird trotzdem Haltung bewahren müssen. Es ist keine von den formellen Partys, wo ein zusätzlicher Gast die ganze Veranstaltung aus dem Gleichgewicht bringt. Und er kann dir kaum die Erlaubnis verweigern, deine Schwester zu begleiten. Du kommst also rein. Das Schlimmste, was dir passieren kann, sind ein paar böse Blicke von Kaufmann. Aber gesellschaftlich befindest du dich dort unter deinesgleichen, alle werden sich freuen, dich wiederzusehen; es wird keine peinlichen Szenen geben.“
Noyes’ Finger begann zu zittern: Kravchenko scharrte höhnisch an den Wänden seines Schädels. Vorsichtig streckte Noyes seine Hand nach links aus, nach außerhalb des Sensorbereichs, der Roditis sein Bild übertrug, und nahm eine Alkoholkapsel von einem Tablett Er aktivierte sie und ließ die Flüssigkeit in seinen Arm eindringen. Jetzt ging es ihm besser; aber noch nicht gut genug. Er fühlte sich elend. Die Vorstellung, sich Zutritt zu einer Party zu verschaffen, indem er seinen eigenen verbrauchten Zustand und die Eheverbindungen seiner Schwester zu Roditis’ Gunsten schamlos ausnutze, ließ ihn frösteln und machte ihn traurig.
Er sagte: „Angenommen, ich schaffe es, die Party in deinem Sinn zu vermasseln, John, was soll ich dann überhaupt dort?“
„Hauptsächlich sollst du dich an Santoliquido heranmachen und ihn bearbeiten.“
„Wegen diesem Paul-Kaufmann-Bewußtsein?“
„Weshalb sonst? Du kannst doch sehr subtil und diplomatisch sein. Er wird in diesen Tagen über den Zuspruch für die Transplantation entscheiden. Und da ich so wild hinterher bin, daß ich fast keinen anderen Gedanken mehr fassen kann. Kannst du dir vorstellen, was ich alles mit einem Paul Kaufmann im Kopf tun könnte? Welche Türen sich mir öffnen würden, welche Pläne ich ausführen könnte? Und alles liegt in Santos Hand. Er läuft dort draußen auf dieser Party herum, gibt sich gelöst, steht den ganzen Tag in der Sonne und trinkt zuviel. Und du kannst ihn bearbeiten. Setz deinen angeborenen Charme ein. Dafür bezahle ich dich nämlich, für den altehrwürdigen protestantischen angelsächsischen Charme. Also laß ihn auch spielen!“
„Ist ja schon gut“, murmelte Noyes.
„Und selbst wenn du nicht direkt Erfolg bei ihm hast, kannst du vielleicht etwas herausfinden, woraus sich ein Plan schmieden läßt. Irgendeinen wunden Punkt oder irgendeine Lücke, in die wir hineinstoßen können.“
Erschrocken sagte Noyes: „Willst du etwa Santoliquido erpressen, damit er deinem Antrag zustimmt?“
„Na hör mal, habe ich so etwas auch nur mit einer Silbe erwähnt? Was für eine entsetzliche Vorstellung, Charles! Ich erwarte etwas mehr Finesse von dir.“ Roditis lachte rauh. „Ruf deine Schwester an. Regle alles. Ach so, Charles – was macht denn unser lieber Jimmy?“
„Kravchenko? Ich glaube, er schläft.“
„Ich bin mir sicher, es wird ihm gefallen, auch zur Party zu gehen. Er trifft dort eine Menge alter Freunde wieder. Ruf deine Schwester an, Charles.“
Der Bildschirm wurde dunkel.
Noyes starrte den Fußboden an. Er kniete sich hin und vergrub die Finger im Teppich, um sich so zu beruhigen. Sein Kopf schien in tausend Teile zerspringen zu wollen.
- Ruf deine Schwester an, Charles. Hast du nicht gehört, was der Mann gesagt hat?
„Ich will nicht!“
- Das solltest du aber besser. Du traust dich ja doch nicht, dich ihm zu widersetzen.
„Es ist ekelhaft! Als ungebetener Gast in eine Party einzudringen und sich an Santoliquido heranzumachen …“
- Er will doch unbedingt das Bewußtsein des alten Kaufmann, nicht wahr? Es ist seine Fahrkarte zum gesellschaftlichen Aufstieg. Dein Job verlangt von dir, ihm zu helfen.
„Aber nicht zum Preis meiner Würde.“
- Die bist du schon vor langer Zeit losgeworden. Nun
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