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Noch einmal leben

Noch einmal leben

Titel: Noch einmal leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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finden. Aber sie war nirgends zu sehen. Es war ganz schön anstrengend, sie später aus der Schlucht zu bergen. Claude war völlig mit den Nerven fertig. Er reiste nach Australien, um dieses schreckliche Erlebnis vergessen zu können. Dort fand er, wie Sie sicher bereits wissen, im Dezember selbst den Tod.“
    „Können Sie mir etwas über Tandys letzte Wochen mit Claude erzählen?“
    St. John zuckte die Achseln. Sein Blick blieb immer fest auf Risa gerichtet. Sie fühlte sich unbehaglich. „Sie trafen sich Ende Juli in Zürich. Nach einer Woche reisten sie dann nach St. Moritz weiter, um dort Skispringen zu gehen. Beide waren die ganze Zeit über heiter und ausgelassen. Natürlich gerieten sie sich hin und wieder auch mal in die Haare; aber nie ernstlich, mehr in der Art von Neckereien unter Liebenden.“
    „Sie haben sie geliebt?“
    „Oh, ja, natürlich. In der zweiten Augustwoche fragte Claude sie sogar, ob sie seine Frau werden wolle.“
    - Das ist eine Lüge, kam Tandys wütender Widerspruch. Claude hätte niemals irgendein Mädchen geheiratet!
    „Hat sie denn ja gesagt?“ fragte Risa.
    „Sie bat um Bedenkzeit und erklärte, daß sie erst im Herbst des Jahres ihre Gedanken darüber erforscht haben könnte, er müsse also noch etwas Geduld haben. Aber sie erlebte den Herbst nicht mehr.“
    „Ich frage mich, ob sie miteinander glücklich geworden wären.“
    „Da bin ich mir ziemlich sicher“, sagte St. John. Seine Nasenlöcher blähten sich auf Grund irgendeiner inneren Anspannung auf. „Befragen Sie doch Tandys Erinnerungen an ihn. Dort stellen Sie rasch fest, wie sehr sie sich zu ihm hingezogen fühlte.“
    In gewisser Hinsicht stimmte das sogar, wie Risa wußte. Ganz sicher waren Tandys Gefühle für Claude viel stärker gewesen als für den phlegmatischen, coolen Stig Hollenbeck. Aber sie hatte trotz ihrer Zuneigung auch Angst vor Claude gehabt.
    „Wie steht es denn mit Ihnen?“ sagte Risa. „Haben Sie Claude schon zu seinen Lebzeiten gekannt?“
    „Wir sind uns nie begegnet. Mir ist einfach sein aufgezeichnetes Bewußtsein interessant genug erschienen. Ich brauchte jemanden, der energischer war als ich, einen sportlicheren Typ. Es zahlt sich ja immer aus, wenn man sich eine ergänzende Persönlichkeit erwählt.“
    „Er scheint ja auch wirklich manches bei Ihnen bewirkt zu haben.“
    „Wie darf ich das verstehen?“
    Risa zögerte. „Nun – also, als ich mich auf die Suche nach Ihnen machte, erhielt ich ein Photo von Ihnen. Und dort – bitte, ich möchte Sie keineswegs beleidigen – sehen Sie ganz anders aus, weicher und plumper.“
    „Haben Sie das Photo dabei, wenn ja, darf ich es einmal sehen?“
    Sie zog es hervor. Er sah sich die Photographie genau an. Seine Miene wurde düster, er preßte die Lippen aufeinander. „Es muß wohl vor einem Jahr aufgenommen worden sein. Seitdem habe ich einiges abgenommen. Ich betreibe nämlich regelmäßig Sport. Claude hat mir sehr geholfen, die Wampe loszuwerden.“ St. John blickte auf und lächelte zum ersten Mal. „Ich fühle, ich bin ein besserer Mensch geworden, seit ich ihn ‚an Bord’ habe. Möchten Sie noch einen Rum-Punsch?“
    „Lieber nicht, danke.“
    „Müssen Sie schon fort?“
    „Ja, leider – mir steht noch ein Familienbesuch bevor“, sagte Risa lahm.
    „Die Familie kann doch noch etwas warten. Erlauben Sie mir, Ihnen London zu zeigen. Und heute abend stürzen wir uns in das Nachtleben der Stadt. Nach allem, was Sie gesagt haben, verfügen wir beide über nicht zu unterschätzende Gemeinsamkeiten. Und auch wenn wir Fremde sind, so stehen wir doch stellvertretend für ein einigendes Band der Liebe. Wir schulden es Claude und Tandy einfach, zusammen zu sein.“
    Voll innerer Unruhe kam Risa sich wie gefangen vor. Denn trotz all seiner unheilvollen Kälte und rätselhaften Intensität besaß dieser Mann etwas nicht näher zu definierendes Anziehendes. Risa war immer bereit, sich einem Abenteuer zu stellen. Und da hinter diesen blassen, blauen Augen Tandys ehemaliger Liebhaber steckte …
    St. John entschuldigte sich, um die Rechnung zu begleichen.
    - Jetzt oder nie, sagte Tandy. Nichts wie raus hier.
    „Warum?“
    - Er ist zu gefährlich. Du willst dich doch nicht etwa mit einem Dybbuk abgeben. Suche einen Polizisten, damit Claude gelöscht werden kann.
    „Aber wir haben keine Beweise.“
    - Meinst du, ich kenne Claude nicht? Wie er spricht, wie er sich bewegt, sein Mienenspiel? Er kann der ganzen Welt etwas vormachen,

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