Noch einmal leben
Wie konntest du so einen Namen nur vergessen? Du solltest deine Gedächtnispillen regelmäßiger einnehmen, Charles. Ich glaube, ich werde nie vergessen, wie du dich bei Glorias Hochzeit aufgeführt hast! Du …“
„Ich fürchte, ich habe deinen neuen Familiennamen nicht mitbekommen“, fuhr Noyes ihr schnell in die Parade.
„Owens. Ja, ich wollte dich doch mit meinem Mann bekannt machen, Nathaniel Owens. Er steht gleich dort drüben. Ein wirklich außergewöhnlicher Mensch. Kannst du dir vorstellen, daß er sieben Fremdidentitäten in sich trägt? Sieben!“
Aber er kommt kaum mit ihnen zurecht, fiel Noyes schon wenige Augenblicke, nachdem er Nathaniel Owens vorgestellt worden war, auf. Owens war stämmig, er hatte einen tonnenförmigen Brustkasten, sein Körper war dichtbehaart. Er führte sich auf, als wäre er auf sein ungeschlachtes Äußeres stolz. Owens vierschrötiges, klobiges Gesicht sah aus, als wäre es aus Reststücken zusammengesetzt worden. Noyes schätzte ihn auf sechzig. Seine schwarzen Augen wirkten abwesend und unkonzentriert. Wenn er sprach, wurde seine Stimme manchmal eine Oktave höher oder tiefer, bevor sie wieder ihren normalen Tonfall annahm.
„Meine Frau hat Ihnen sicher eine Menge Unsinn über uns erzählt, was?“ fragte Owens aggressiv.
„Nein, überhaupt nicht. Sie erzählte mir nur, daß Sie sieben Transplantate tragen.“
Owens zwinkerte und zuckte. „Das stimmt, verdammt nochmal. Paßt es Ihnen etwa nicht?“
„Wenn Sie mit diesem Streß fertigwerden …“
„Er kann mit allem fertigwerden, Kumpel“, sagte Owens mit einer merkwürdig veränderten Stimme, einem grollenden Baß. „Er ist der wahre Übermensch. Fragen Sie nur, er löst jedes Problem.“
Noyes versuchte immer noch zu verstehen, warum Owens plötzlich in der dritten Person von sich sprach, als der Mann mit einer viel höheren Stimme schnaubte: „Halt endlich dein gottverfluchtes Maul!“
„Es ist dein gottverdammtes Maul, mit dem ich rede“, spottete die tiefere Stimme.
„Unser Maul, du Rotznase!“ Das war eine dritte Stimme, eine glatte, sanfte, gewesen. „Wir sitzen alle in einem Boot.“
Bestürzt erkannte Noyes, daß Owens’ Transplantate die Kontrolle über den Körper übernommen hatten und mit seinem Mund einen Streit ausfochten. Owens selbst stand völlig regungslos da. Die langen Arme baumelten leblos herab, er bewegte die Schultern ruckartig, fast wie ein Roboter. Owens verdrehte die Augen. Seine Frau, die begriff, was dort vor sich ging, riß einen Drink vom Tablett eines automatischen Dieners und stach Owens die Kapsel wie ein Messer auf den muskulösen Arm. Die zuckenden Gesichtsmuskeln beruhigten sich wieder. Owens machte einen beschämten Eindruck.
„Nathaniel ist in letzter Zeit nicht sehr oft zum Schlafen gekommen“, erklärte Rowena Owens der kleinen Gruppe, die sich versammelt hatte. „Manchmal hat er Schwierigkeiten, die Herrschaft über seinen Verstand zu behalten, wenn er müde ist. Fühlst du dich jetzt besser, Liebling?“
„Ja, mit mir ist wieder alles in Ordnung“, sagte Owens. „Ich habe wieder Kontrolle über mich.“ Seine Stimme klang neutral. Seine Gesichtsmuskeln zuckten nicht mehr.
Noyes starrte ihn entsetzt an. Es war ihm, als habe er eben sein eigenes Schicksal vor Augen gehabt. Die Transplantate des Mannes hatten Kontrolle über seinen Körper übernommen und aus ihm einen Gefangenen im eigenen Schädel gemacht. Genau so, wie James Kravchenko es pausenlos bei ihm versuchte. Kravchenko war es aber bislang noch nicht gelungen, Macht über die Stimmorgane zu erlangen. Wenn sein Transplantat sprach, war das immer nur ein Murmeln in seinem Innern. Aber Kravchenko gab nicht auf. Es beruhigte Noyes nicht, daß er es nur mit einem Fremdbewußtsein zu tun hatte, während Owens mit einer ganzen Mannschaft ringen mußte.
Owens hielt Noyes’ entsetztes Schweigen für Mißbilligung. Daher sagte er streitsüchtig: „Was ist los? Haben Sie was gegen die Scheffing-Transplantationen?“
„Nun, ich …“
„Ich weiß schon, Sie sind einer von diesen Ausmerzern. Sie glauben, das Ganze wäre von Übel, schlecht und zeuge vom kulturellen Niedergang. Leute Ihrer Couleur wollen, daß alle Transplantationen ausgemerzt werden, nicht wahr? Und komme ich daher, mit gleich sieben Fremdidentitäten unter der Schädeldecke, da muß ich für Sie ja der leibhafte Satan sein, oder nicht?“
„Das ist ganz und gar nicht der Fall“, murmelte Noyes.
„Tatsächlich hat mein
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