Noch einmal leben
vorbei, als sie gerade zu dieser Party aufbrechen wollten. Sie konnten ihn nicht wieder los werden, also mußte Gloria ihn natürlich fragen, ob er mitkommen wollte. Tja, und jetzt ist er hier. Dein Vater kocht sicherlich schon vor Wut.“
„Die Gefühle meines Vaters interessieren mich im Moment ganz und gar nicht“, sagte Risa mit dünner Stimme. „Genauso wenig wie Noyes oder Roditis. Von mir aus können sie alle zusammen zur Hölle fahren.“
„Heh …“
Tränen traten ihr in die Augen. „Und du kannst sie gerne begleiten!“
„Was ist denn jetzt schon wieder? Was habe ich denn getan?“
„Frag lieber, was du nicht getan hast“, sagte Risa.
Rod sah sie sonderbar an. Seine Augen wanderten Stück für Stück über ihren ganzen Körper, so als sähe er sie zum ersten Mal. Risa zitterte schon vor Erregung. Es war bald Zeit fürs Mittagessen – aber vorher …
Seine Augen trafen die ihren. Sie wich ihm nicht aus. Er nickte.
Und stieg zu ihr ins Bett.
Noyes glaubte, sein Gehirn würde unter den mörderischen Sonnenstrahlen schmelzen. Er rezitierte Mantras der Selbstbeherrschung und inneren Befreiung, vergrub seine Zehen im glühendheißen Sand und beobachtete die nackten und fast nackten Kaufmanns sowie deren Freunde und Verwandte. Er wünschte sich inbrünstig, irgend woanders zu sein. Schlimm genug, daß Roditis ihn gnadenlos gezwungen hatte, in dieser Festivität hineinzuplatzen, wo er so wenig erwünscht war. Er mußte sich auch noch der tropischen Hitze aussetzen, und das war mehr, als ihm zugemutet werden konnte. Würde die Sonnencreme ihn wirklich schützen können? Oder würde er bei Einbruch der Dunkelheit geröstet sein?
Er spürte Kravchenkos Sticheleien.
- Trag es wie ein Mann, mein Freund.
„Sehr komisch, aber du kannst den Sonnenbrand nicht fühlen.“
- Das sind die Vorteile, wenn man tot ist. Man spürt zwar nicht den Schmerz, aber man spürt auch keine Lust und Erregung. Na, hat man Töne, was treibt denn Santoliquido dort?
Noyes sah zum Strand. Ihm war es noch gar nicht aufgefallen, aber seinem Fremdbewußtsein um so mehr. Santoliquido unterhielt sich angeregt mit Elena Volterra. Und Elena war doch eigentlich Mark Kaufmanns Geliebte. Trotz seines Unbehagens analysierte Noyes die Situation sofort danach, ob sie Roditis nützen konnte. Versuchte Elena gerade, Roditis auszustechen, bearbeitete sie den Direktor der Seelenbank dort, wo er am empfänglichsten war, um ihn davon abzubringen, Paul Kaufmanns Bewußtsein an den Griechen zu geben? Oder war es umgekehrt so, daß Santoliquido jetzt, wo Mark anderweitig beschäftigt war, versuchte, Elena stärker an sich heranzuziehen? Die erste Möglichkeit würde für Noyes’ Chef kaum eine Möglichkeit bieten, Druck auszuüben – anders als die zweite.
Noyes bemühte sich, völlig unauffällig zu wirken, während er auf das sich in einiger Entfernung aufhaltende Pärchen zuschlenderte. Diese Elena war wirklich eine aufregende Frau, dachte er sich, mit ihrem wohlproportionierten, braungebrannten Körper, der mit etwas schlafferen Brüsten allerdings auch wesentlich unvorteilhafter hätte wirken können. Außerdem durfte sie keine fünf Pfund mehr zunehmen, denn dann hätte sie pummelig gewirkt. Aber so, wie sie war, war sie außerordentlich anziehend und konnte Santoliquidos sexuellen Vorstellungen durchaus entsprechen, da er, wie Noyes wußte, auf Südländerinnen stand. Es konnte Roditis’ Sache nur nützen, wenn Santoliquido sich an diesem Wochenende in eine kompromittierende Situation hineinmanövrierte.
Er kam nicht näher als hundert Meter an die beiden heran. Er konnte auf diese Entfernung noch nicht die Worte von ihren Lippen lesen. Ein Robot-Diener kam mit einem Tablett voller Erfrischungen hergerollt. Als er sich umwandte, um sich zu bedienen, sprach ihn eine kleine Frau mit goldenen Augen und einem aggressiv vorstoßenden Kinn an. „Charles“, sagte sie. „Dich habe ich ja eine Ewigkeit nicht mehr gesehen. Komm, ich möchte dich mit meinem neuen Mann bekannt machen!“
Noyes suchte in nebulösen Familienerinnerungen: sie war eine Adams, ja, ganz sicher, sie hatte an der Hochzeit seiner Schwester mit David Loeb teilgenommen, er erinnerte sich, daß sie eine Zeitlang mit einem der Schiffs verheiratet gewesen war. Er lächelte unsicher.
„Kannst du dich etwa nicht mehr an mich erinnern?“ fragte sie.
„Es ist schon lange her, äh, Donna, Donna Adams, nicht wahr?“
„Donna ist meine Schwester. Ich bin Rowena.
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