Noch immer schwelt die Glut
Ehrentreppe die Bitte um den Sold seiner Garden vortragen werde, damit der Herzog über deren Anwesenheit nicht überrascht noch erschrocken sei. Die Garden, befahl der König, sollten dort um sieben Uhr versammelt sein, um nach Eintritt des Herzogs, des Kardinals von Guise und des Erzbischofs von Lyon die Ehrentreppe zu besetzen und danach jedermann den Durchgang in der einen oder anderen Richtung zu verwehren. Dann ließ der König Laugnac kommen, der Befehl erhielt, seine »Fünfund vierzig « um fünf Uhr früh in der Hirschengalerie zu versammeln (unterhalb der Treppe e' auf meinem Plan). Wie ich bemerkte, sagte der König Laugnac kein Wort über den Auftrag seinen Gascognern, vermutlich dünkte ihn ein Geheimnis nicht genug gehütet, wenn so viele Männer darum wüßten.
Nachdem Laugnac gegangen war, schickte der König Du Halde und mich schlafen, worauf wir in seiner Garderobe besagtes Lager aufschlugen, das allerdings ein wenig schmal war für zwei Männer, die es mitnichten waren, zumal wir wegen der Kälte beschlossen hatten, unsere Kleider nicht abzulegen.
Da wir vom Neuen Kabinett nur durch eine Tür getrennt waren, hörte ich den König noch lange in gedämpftem Ton mit Bellegarde reden. Dann hörte ich die Schritte des Königs vor unserer anderen Tür, woraus ich schloß, daß er zur Königin schlafen ging (C auf dem Plan). In dem Moment steckte Bellegarde, einen Leuchter in der Hand, den Kopf zu uns herein.
»Du Halde«, sagte er, »der König befiehlt Euch bei Eurem Seelenheil, ihn unbedingt um vier Uhr früh zu wecken.«
»Ha, Monsieur!« sagte Du Halde in schrecklich beklommenem Ton, »beliebt, mir mit Eurem Licht zu leuchten, damit ich meine Weckuhr auf die Stunde einstellen kann.«
Bellegarde trat in die Garderobe, ging gefällig in die Knie, um ihm den Leuchter zu halten, und Du Halde zog die Uhr unter |517| seinem Kopfpolster hervor und begann sie zu stellen. Ich hatte mich auf einen Ellbogen gestützt, um ihm zuzuschauen, und sah, daß seine Hände vor Aufregung zitterten, weil die Ziffern so klein waren und die Kerzenflamme so schwach und flackrig. Nicht ein Wort fiel während dieser Szene, man hörte nur unseren Atem und den Regen, der gegen die Fensterscheiben schlug.
»Baron«, sagte Du Halde zu mir, und seine Stimme bebte vor Ängsten, »habe ich richtig gestellt?«
»Ich denke wohl«, sagte ich, doch als ich die Hand nach der Weckuhr ausstreckte, um mich zu vergewissern, hielt er mich rasch am Handgelenk fest, man dürfe sie, sagte er, auf keinen Fall mehr erschüttern, weil sie sich durch die kleinste Bewegung verstellen könnte.
Nachdem Bellegarde gegangen war, mühte ich mich vergebens einzuschlafen, zu groß war meine Furcht, es könnte in letzter Minute irgendeine Kleinigkeit die Pläne des Königs durchkreuzen. Endlich mußte ich doch entschlummert sein, denn ich erwachte von einem so mächtigen Schnarchen, daß ich nicht glauben konnte, es käme von Du Halde. Der Zweifel machte mich vollends wach, und als ich die Augen öffnete, sah ich, daß Du Halde versuchte, mit einem großen Blasebalg das Feuer anzufachen. Und als ich ihn fragte, ob er friere, sagte er nein, er wolle nur einen Kienspan entzünden, um auf seine Weckuhr zu sehen, und dabei stand ihm Schweiß auf der Stirn, solche Angst hatte er, die Zeit zu verpassen.
»Vertraut Ihr Eurer Uhr denn nicht?« fragte ich. »Hat sie schon einmal versagt?«
»Noch nie.«
»Wie spät ist es?«
»Drei Uhr«, sagte Du Halde, nachdem er einen Span entzündet und auf das bleiche Zifferblatt geblickt hatte.
»Ist sie schon einmal stehengeblieben?« fragte ich.
»Nein. Sie ist ganz neu. Ich habe sie erst hier vor der Eröffnung der Generalstände gekauft, weil ich wußte, daß Blois im ganzen Land berühmt ist für seine Uhren und Wecker.«
»Oder hat sie einmal nicht zur eingestellten Zeit geklingelt?«
»Noch nie«, sagte Du Halde, indem er den Span ins Feuer warf, weil er ihm fast die Finger verbrannt hätte.
|518| »Gut, dann schlaft!«
»Wenn ich nur könnte«, sagte Du Halde, »ich fürchte zu sehr, daß ich die Stunde verschlafe und daß alles fehlschlägt durch meine Schuld.«
»Gut, dann wacht!«
»Wenn ich wache«, sagte Du Halde, »werde ich so müde, daß ich immerzu fürchte, ungewollt einzunicken.«
»Ach, Du Halde«, sagte ich lachend, »was quält Ihr Euch so! Rollen wir die Matte ein, und wachen wir gemeinsam, auf den beiden Schemeln dort. Wer einnickt, fällt herunter. Eine Stunde ist bald
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