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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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lassen.
    »Madame, bitte, erhebt Euch«, sagte der König, indem er ihr die Hand reichte und sie zu einem Schemel geleitete.
    »Ach, Sire!« sagte Madame de Sauves mit leiser und melodiöser Stimme, »Eure Herablassung rührt mich unendlich, und niemals werde ich genug Dankesworte haben, um Euch meine Freude über das wunderbare Geschenk auszusprechen, welches Ihr mir mit Euren Ohrgehängen machtet, die mir desto teurer sind, als Ihr sie trugt, und die ich, das schwöre ich, künftig alle Tage tragen werde, die Gott bis ans Ende meines irdischen Lebens werden läßt …«
    In diesem Ton und Stil fuhr Madame de Sauves volle zehn Minuten fort, und ich dachte, es müßte den König langweilen, aber er unterbrach sie in keiner Weise, vielmehr antwortete er Madame de Sauves in jener höfischen Sprache, in welcher es sich ziemte, die kleinste Bemerkung auf mindestens zehn Zeilen auszudehnen und zehn Worte zu machen, wo eins genügt hätte.
    »Sire«, fuhr Madame de Sauves fort, »da ich weiß, wie sehr die Staatsaffären Euch bedrängen und beschäftigen, hätte ich Eure Majestät nicht angefleht, mich zu empfangen, hätte die Königinmutter mir nicht aufgetragen, Euch eine dringliche Einladung zu übermitteln, welche Euch durch meinen Mund hiermit kundgetan sei. Ihr möget sie heute um zwei Uhr nachmittags in ihrem Zimmer besuchen, welches sie hüten muß, denn um diese Stunde wird sich Herr von Guise bei ihr einfinden, und Ihre Majestät die Königinmutter, die von einer Art Abkühlung oder Kälte hörte, die gestern nach der Messe zwischen Euch stattgehabt, ist sehr begierig, dem schnelle Abhilfe zu schaffen, damit Ihr einander wiederum zum größten Wohl des Staates einigt.«
    »Ach, Madame!« sagte der König mit einer Liebenswürdigkeit |513| in Sprache und Blick, die mich baff machte, »welchen unendlichen Dank weiß ich Euch für Eure reizende Botschaft, mit welcher Freude werde ich mich heute nachmittag zu meiner Frau Mutter begeben und mit welch hohem Glück meinen Cousin Herrn von Guise treffen, mit dem ich doch niemals uneins zu sein vermag, ohne von Herzen zu wünschen, daß dies unverzüglich begradigt werde. Ich wäre untröstlich, wenn Herr von Guise glauben könnte, daß ich der stärksten Stütze des Throns irgend übelwollte. Ganz im Gegenteil, schwöre und erkläre ich hiermit, daß es in meinem Reich niemanden gibt, den ich mehr liebte als ihn, noch daß ich jemandem mehr als ihm verpflichtet wäre, wie ich es in Kürze durch beste Entscheidungen bekunden werde.«
    Dies wurde in so aufrichtigem und treuherzigem Ton gesprochen, daß sogar ich für einen Augenblick in Zweifel über die wahren Intentionen des Königs geriet. Als er jedoch Madame de Sauves die Hand darbot und dann die ihre ergriff, um sie seinerseits zu küssen, begriff ich, welch ein ungeheurer und heimlicher Spott hinter dieser Farce steckte, die der große Komödiant derjenigen vorspielte, die er am selben Morgen »die Hure des Guisarden« genannt hatte und der er nun, nach einem Kuß auf ihre Fingerspitzen, sagte, »er sei nur König durch Erbfolge, sie aber sei Königin durch ihre unvergleichliche Schönheit«, und sie am Arm zur Tür seines Zimmers geleitete wie eine Prinzessin von Geblüt, eine Huld und Ehre, welche die de Sauves zu berauschen schien, bringt es doch wahrlich Mann wie Frau um den Verstand und die Hellsicht, wenn man ihrer Eitelkeit schmeichelt.
    Unwirsch kehrte der König zurück, so als läge ihm die Komödie, die er gespielt hatte, um das Mißtrauen der Königinmutter und des Guise einzulullen, quer im Magen.
    »Mein Sohn«, sagte er knapp, indem er Platz nahm, und mir mit einem Blick bedeutete, mich zu ihm zu setzen,
»quid novi?«
    Angesichts seiner gereizten Stimmung faßte ich mich kurz und teilte ihm in drei Worten mit, daß der
tertium quid
Blois am Freitag mittag verlassen wolle, wie ich durch meinen Mann wisse.
    »Ha!« sagte der König nur, dann verharrte er eine volle Minute reglos wie ein Felsen und starrte vor sich hin, doch ohne |514| daß seine Lider wie vorher flackerten, sein ganzer Körper schien versteinert, nur die Hände hatte er verschränkt, als ob er bete, und preßte sie so fest aneinander, daß die Gelenke weiß wurden.
    »Dann wird also«, sprach er endlich mit leiser und fester Stimme, »der Rat am Freitag um sieben Uhr früh zusammentreten.«
    Bellegarde, Du Halde und ich blickten uns einen Moment schweigend an, keiner mochte einen Ton sagen, jedes Wort war nutzlos geworden, nun standen

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