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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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er mich durch das Gemach des Königs, wo nur ein Diener am Werke war, Scheite in den Kamin zu schichten, ins Neue Kabinett. Der König saß, den Rücken zum Feuer, an einem Tisch und las Depeschen, welche sein Staatssekretär Revol ihm eine nach der anderen vorlegte. Bei meinem Anblick unterbrach sich Seine Majestät, reichte mir die Hand, hieß mich Platz nehmen und setzte seine Lektüre bis zum Ende fort. Während er so beschäftigt und sichtlich ganz bei der Sache war, beobachtete ich, daß sein Gesicht zwar auf den ersten Blick ruhig wirkte, daß seine innere Erregung sich jedoch durch seine Lider verriet, die immer wieder drei-, viermal nacheinander flackerten, und daß an seinem Kinn, unterm rechten Mundwinkel, ein ums andere Mal ein kleiner Muskel zuckte und unter der Haut sprang, und Heinrich drückte mehrmals mit der Hand dagegen, wie um ihn zu beruhigen. Seine Hände indessen, besonders die eine, welche die Depesche hielt, zitterten nicht.
    Da ich auf der Seite rechts von ihm saß und der fünfarmige Leuchter, der ihm Helle spendete – der sehr graue und regnerische Tag hob gerade erst an –, zu seiner Linken stand, hob sich sein Gesicht gut ab vor dem Lichtschein. Und wiewohl es sehr abgemagert und von sehr matter Blässe war, fand ich es schön, ein zum Kinn hin verschmälertes Oval, das ein kurz gehaltener Bart gleich einem Kollier umkränzte, jettschwarz mit ein wenig Weiß dazwischen, und auch die Haare, die sich beiderseits unterm Barett hervor wellten, hatten dieselbe Färbung, mehr Pfeffer als Salz. Je länger ich ihn betrachtete, was ich ohne weiteres tun konnte, da er in seine Lektüre vertieft war, desto mehr beeindruckte mich die Empfindsamkeit seiner so feinen, |511| edlen und so vollendeten Züge. Die Damen des Hofes sangen das Lob des Guisen, und ich will einräumen, daß er den Beinamen »der Herrliche« ja verdiente, den Chicot ihm verliehen hatte, mir jedoch wollte weder die Falschheit seiner schiefen Augen noch die Schwere seines Kiefers sehr gefallen, und erst recht nicht seine grobe und nichtige Überheblichkeit: ein Pappkönig zum Karneval, groß und schön gemalt, dem aber jegliche italienische Raffinesse abging, wie sie einem aus den Augäpfeln des Königs auf den ersten Blick entgegensprang.
    Nachdem er die letzte Depesche gelesen hatte, legte er sie auf den Tisch und sah zu mir hin.
    »Quid novi, mi fili?«
1 fragte er.
    Ich wollte eben den Mund öffnen, als Bellegarde hereintrat und sagte, Madame de Sauves bitte Seine Majestät, sie empfangen zu wollen, sowohl um ihm für sein wunderbares Geschenk zu danken, als auch um eine Botschaft der Königinmutter auszurichten. Der König willigte ein, und ich zog mich auf sein Zeichen in den dunkelsten Winkel des Raumes zurück, doch nicht aus Furcht, von Madame de Sauves erkannt zu werden, denn außer den schwarz gefärbten Haaren verbarg mich auch die Samtmütze der »Fünfundvierzig«.
    Madame de Sauves betrat hinter dem Türsteher das Neue Kabinett, und der König erhob sich mit seiner gewohnten Höflichkeit – wenn er nicht gerade wütend war, bezeigte er den Damen des Hofes die größten Rücksichten –, bot ihr die Hand, und Madame de Sauves fiel auf die anmutigste Weise ins Knie, ihr Reifrock aus blaßrosa Seide bildete eine Blütenkrone um ihre feine Taille und ihren fülligen Busen in einem Dekolleté, das um so tiefer reichte, je höher der Kragen aus perlenbesäter rosa Alençon-Spitze sich im Nacken fächerte.
    Doch wer wäre so töricht, den Juwelen ihren Schrein vorzuziehen, zumal Madame de Sauves mit ihrem perlmutterblonden Haar von einer Anmut war, welcher die Jahre nichts hatten anhaben können, nicht nur was den Körper anging, sondern auch das Gesicht, das dermaßen einem Engel glich, daß es selbst den hellsichtigsten Heiligen hätte täuschen können, zumal ihre Physiognomie etwas Entwaffnendes, Kindliches und Rührendes hatte, dem sich sogar ein Tiger nicht verschlossen |512| hätte. Im Inneren eine Teufelin und von verschwiegenem Hochmut – wähnte sie sich doch schon Königin von Frankreich, weil sie mit dem Herrlichen schlief –, gab sie sich gut und liebenswert und erhob sich auch von ihrem Kniefall nicht gleich, sondern verweilte so vor dem König, vor uns, sollte ich sagen, denn Du Halde, Bellegarde, Nambu und ich beäugten sie mit Blicken, die man sich vorstellen kann, während sie sich so tief nur verneigte, um uns desto gewisser zu bezwingen und das Joch ihrer allmächtigen Schönheit fühlen zu

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