Blutsbund 02 - Dimitrij
Willkommen zu Hause
Dimitrij wurde aus seinen Gedanken gerissen, als die Stewardess verkündete, dass sie in wenigen Minuten zur Landung ansetzten. Er konnte die Stadt unter sich bereits eine Weile betrachten und ein beklommenes Gefühl breitete sich in ihm aus. Es war das erste Mal seit knapp fünfzig Jahren, dass er wieder russischen Boden betrat. Nach dem letzten großen Zerwürfnis mit Michail, seinem älteren Bruder, war er nicht mehr in St. Petersburg gewesen. Er erinnerte sich noch genau daran, wie dieser ihm die Tätowierung aus Silber hatte machen lassen, um zu verhindern, dass er sich frei bewegen konnte.
Jetzt, so viele Jahrzehnte später, war er das erste Mal wieder ohne Begleitung unterwegs. Igor war in Berlin geblieben, um auf Sergej aufzupassen.
Er schnaufte verhalten. Eigentlich wäre es an seinem Bruder gewesen ein Auge auf ihn zu haben, zumindest, wenn es nach Michail ging. Dass letztendlich alles komplett anders gekommen war, konnte niemand ahnen.
Seine Stirn legte sich besorgt in Falten, als er daran dachte, wie Sergej rausbekommen hatte, dass Tristan und der Werwolf ein festes Paar wurden. Dima war unendlich dankbar, dass Igor in Berlin an seiner Seite stand, sonst wären sie seinem Bruder nicht mehr Herr geworden. Erst verschanzte dieser sich in der Villa und schüttete Wodkamengen in sich, die ganz Russland hätten volltrunken taumeln lassen, anschließend wandelte sich die Trauer des Vampirs in Zorn. Von einem Tag auf den nächsten beschloss Sergej Romanow, er müsse den Werwölfen höchstpersönlich den Krieg erklären. Da er selbst ja zwangsweise ortsgebunden war, verhinderte Igor das Schlimmste, auch wenn der russische Riese den anderen dafür so gut wie vierundzwanzig Stunden am Tag bewachen musste.
Bei den Werwölfen sprach sich schnell herum, dass aus einem Vampir und einem der ihren ein Paar geworden war. Diese Konstellation traf auf Hass und Unverständnis. Dass Sergej dann auch noch beschloss, er müsse den Grunewald aufmischen, war der Stimmung in Berlin nicht gerade zuträglich. Über Monate brannte die Luft in der Stadt und die Spannung zwischen den Rassen war an jeder Ecke greifbar.
Er selbst hatte den Ruf ein Vollchaot zu sein, aber das, was sein Bruder vollbrachte, sorgte dafür, dass der deutsche Regent der Vampire auf den Plan gerufen wurde, um die Wogen zu glätten.
Diese Maßnahme verleitete Sergej, seinen Hass erneut mit Wodka zu ertränken. Durch die diplomatischen Wellen, die diese Angelegenheit geschaffen hatte, standen Malte und Tristan recht bald unter dem Schutz des ortsansässigen Regenten. Es war fast, als versuche man auszubügeln, was Sergej, als einer der ihren, für Unruhe stiftete.
Bedrückt dachte er daran, wie das Verhalten seines Bruders auch Mario in die Flucht geschlagen hatte. Dima hatte sich tatsächlich Hoffnungen gemacht, dass sich zwischen ihm und dem Studenten etwas entwickeln könnte, aber nachdem Sergej diesen ein paar Mal betrunken angegangen war, zog Mario sich zurück.
Der Vampir verließ die Maschine. Nachdem er sein Gepäck genommen hatte, schlenderte er aus dem Flughafengebäude. Er erkannte die Limousine der Romanows sofort und der Chauffeur nahm umgehend seine Taschen entgegen.
Auf den Weg in das Palais seines Bruders glitt sein Blick über die vorbeiziehenden Gebäude. St. Petersburg hatte sich sehr verändert und Dimitrij stellte für sich fest, dass er sich hier nicht zu Hause fühlte. Er war in Russland geboren, hatte hier mehr als dreihundert Jahre seines Daseins verbracht und doch berührte ihn der Anblick nicht. In Italien hatte er sich recht wohlgefühlt, aber am besten hatte es ihm noch in den USA gefallen. Leider hatte sein Bruder einen Riegel davor geschoben, als irgendwie herausgekommen war, dass er nicht ganz unbeteiligt an dem Hype um Vampire war. Lächelnd dachte Dima an den einen oder anderen Autor zurück, mit dem er sich traf, um Inspirationen zu liefern. Die Heimlichkeiten um seine Rasse gingen ihm mit jedem Jahrzehnt, das er lebte, mehr gegen den Strich.
Der Wagen hielt vor dem Palais und Dimitrij verkniff sich das Schnaufen, denn dieser alte russische Prachtbau passte zu Michail. Obwohl der Chauffeur bemüht war zügig zu sein, hatte er die Tür bereits vor diesem geöffnet und stieg einfach aus. Er scherte sich nicht sonderlich um Gepflogenheiten und darum, was sich gehörte.
»Danke«, sagte er zu dem Diener, der die große Eingangstür des Anwesens öffnete.
»Ihr Bruder erwartet Sie ihm
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