Noch Viel Mehr Von Sie Und Er

einer Talkshow, bei dem ich nie sicher bin, ob das Ding echt oder getürkt ist. Der Moderator interviewt eine Rollstuhlfahrerin und ihren Begleiter, der offenbar seine Zeugungsfähigkeit verloren hat und mit einer unglaublichen Fistelstimme spricht, sodass es den Moderator mehrfach zerreißt, er versucht immer, sich zu fangen, aber irgendwann kriegt er einen Lachflash. Oder eine »Versteckte Kamera«-Aktion, aus Kanada: Zwei Bänke, Rücken an Rücken, im Park. Auf der einen Seite sitzt ein Mann und liest Zeitung, auf der anderen Seite eine Frau mit einem Streifen Stoff, der in der Mitte ein wenig eingerissen ist. Ein Opfer setzt sich auf die Bankseite mit dem Mann, der steht irgendwann auf, gleichzeitig reißt die Frau auf der Rückseite den Stoffstreifen durch, sodass es klingt, als habe der Mann sich etwas von der Hose abgerissen, eine Illusion, die dadurch verstärkt wird, dass ein Stück Stoff aus seinem Hosenboden auf der Bank klebt und er selbst, wie man, während er weggeht, sieht, unter der Hose nur den blanken Hintern trägt. Die Reaktionen der so harmlos geleimten Opfer sind hinreißend. Auf jeden Fall Top Five meiner Launemacher. Eine andere Frohsinnsdatei trägt den Titel: Wer will mich? Man hat einfach ganz schlimme Fotos von Angehörigen des internationalen Prekariats genommen und dann daraus eine fiktive Karteikarte für ein Partnervermittlungsinstitut gemacht. Und daraus machen Sie jetzt – das ist mein heutiger Kreativvorschlag – Ihren ganz privaten ersten Comedyfilm. Sie nehmen Schminke und üble Klamotten und setzen ambitionierte Comedians aus Ihrem Freundeskreis auf einen Stuhl, lustig geschminkt (Bart, Perücke, Colaflaschenbodenbrillengläser, künstliche Zähne aus dem Scherzartikelladen, zur Not aus einer Apfelsinenschale selbst geschnitzt) und verkleidet, und lassen sie diese oder ähnliche Texte in Ihren Camcorder sprechen: Hallo, ich bin die Gwendolyn, ich bin 23 und zurzeit in der spannenden Übergangsphase zwischen zwei Jobs, ich suche einen temperamentvollen Mann, dem innere Schönheit wichtig ist, der sich aber auch nicht schämt, wenn ich mal ohne Höschen auf der Kneipentheke tanze. Meine Hobbys sind: Töpfern, Homeshopping und Total-Epilierung. Kennwort: Cinderella. Für einen männlichen, vielleicht leicht adipösen Darsteller könnte Folgendes passen: Hallo, ich bin das Wolferl, bin 32 Jahre alt, von Beruf Sachbearbeiter, meine Hobbys sind Klippenspringen, Kulturbeutelnähen und Marzipankartoffeltürme bauen. Wenn du, feminin, typmäßig zwischen Julia Roberts und Cameron Diaz, zusammen mit mir deine Grenzen austesten willst, heute mal an einem Bach um die Wette Frösche aufblasen, morgen vielleicht Ukulele spielen und dabei exotische Nationalhymnen rülpsen, melde dich! Kennwort Hamsterbacke. Und wenn Sie keinen finden, der das machen will, setzen Sie sich selbst vor Ihre Kamera und stellen den Streifen anschließend ins Netz. Vielleicht landen Sie ja auf meiner Top-Ten-Liste!

SIE Sprichwörter
    Wenn Sprichwörter musikalisch wären, könnten sie uns ein Lied davon singen, wie häufig sie benutzt wurden und wie herzlich wenig es genutzt hat. Auf dem langen Weg vom Nest in der Baumkrone bis zum Sofa mit der Fernbedienung haben sie sich immer strebend bemüht, uns mit Rat und Tat eine Stütze zu sein. Umsonst! Der Mensch lässt sich das Fehlermachen nicht freiwillig vom Brot nehmen, schon gar nicht von einem kurzen und prägnanten Sprüchlein, das noch nicht einmal von einem prominenten Eierkopp gezeugt wurde, sondern nur vom gemeinen Volk stammt. Selbst Evergreens, wie z. B. »Hochmut kommt vor dem Fall«, haben als Verhüterli keine Chance. Denken Sie mal an unseren Ex-Bundeskanzler Schröder am Abend seiner Wahlniederlage. Dabei war der schon ein Ladenhüter, als er ins Alte Testament aufgenommen wurde. Im günstigsten Fall werfen Sprichwörter ein kleines Spotlight auf diese seltsame Grauzone zwischen Wollen und Können, die dafür verantwortlich ist, dass jeder sich so gut blamiert, wie er nur kann. Experten können über das außerordentliche Benehmen von Ernst August vom Hohen Sofa sicher ein mit Fremdworten gespicktes Gutachten erstellen, in dem von adelsspezifischer Erbgutschädigung bis hin zum Alkoholabusus die Rede sein wird. Mir reicht der Spruch: »Auch beim Eselsrennen ist einer der Erste.« Der immense Vorteil von Sprichwörtern ist, dass sie griffig sind und das Problem schonungslos beschreiben. Meine Freundin Annette war schrecklich unglücklich über den Sex