Noch Viel Mehr Von Sie Und Er
extrem schmalen Lippen, das Ganze noch zusammengepresst, sodass es an einen Schildkrötenanus erinnert, wir sehen den mit Blaulicht heranrasenden Streifenwagen, die Polizisten erreichen im Laufschritt den Tatort und folgender Dialog entspinnt sich:
»Wir machen Sie darauf aufmerksam, dass für diese Art Erregung öffentlichen Ärgernisses ein Bußgeld von 80 bis 100 Euro pro Kopf fällig wird!«
»Wie, Herr Hauptwachtmeister, was heißt das: Ist 80 die Grundgebühr, und dann ein Euro für jede weitere Nummer, oder wie? Aber scheiß drauf, Geld spielt keine Rolle, wir haben sowieso um 500 Euro gewettet, dass wir hier in der Passage schrubbern!«
Aber richtige Filme sind natürlich auch toll, sie nehmen einem die Imaginationsarbeit komplett ab, man muss sich nur noch darauf einlassen. Gut, manchmal gelingt das nicht, weil man keinen Draht findet, der Stoff nicht interessiert, die Darsteller unsympathisch sind oder der Film schlicht Scheiße, oder man will mit seiner Freundin fummeln. Wobei mir, ohne dass ich es verhindern kann, immer die Szene aus »Her mit den kleinen Engländerinnen« einfällt, wo der Junge ein Loch in den Boden seines Popcorneimers geschnitten und den Dödel durchgesteckt hat, in der Hoffnung, dass seine Freundin sich irgendwann zu ihm durchgefressen hat. Aber wenn alles passt, sitzt man zwei Stunden mit einem blöden Grinsen da. Das hatte ich auch mal, lag aber nicht am Film, sondern daran, dass ich mit zwei Mädchen Händchen hielt, wobei ich die Arme über der Brust verschränkt hatte, damit die jeweils andere nichts merkt. Natürlich sind mir beide Arme eingeschlafen und als nach der Vorstellung das Blut wieder hineinschoss, dachte ich, sie explodieren. Aber davon abgesehen bin ich ein wirklicher Filmfan. Jeder hat seine eigene Top-Ten-Liste, auf meiner ändert sich immer mal wieder was, im Moment wären es ohne Rangfolge: Sein oder Nichtsein, von Lubitsch natürlich, nicht der blöde Mel-Brooks-Abklatsch, Rio Bravo, Ringo-Stagecoach, Die Kaktusblüte, Das Apartment, Irma la Douce, Das Leben des Brian, Dr. Seltsam oder wie ich lernte, die Bombe zu lieben, Notting Hill, Silverado, Ein Fisch namens Wanda, Pretty Woman, Die fabelhaften Baker-Boys, Sideways, Sommer vorm Balkon, Harry und Sally, Mach’s noch mal, Sam, Be cool, und noch etwa zwanzig andere, eigentlich alles mit Billy Crystal, Julia Roberts, Adam Sandler ist toll, vor allem 50 First Dates mit Drew Barrymore ... Es ist zwecklos, Top Ten der Filme geht ebenso wenig wie Top Ten der Bücher, und deswegen möchte ich noch über eine andere Art Filme reden, die erst seit der immensen Verbreitung des Internets wahrgenommen werden und aus meinem Leben eigentlich nicht mehr wegzudenken sind. Ich spreche von den Abermillionen von Filmschnipseln, wie wir sie bei You Tube, Myvideo oder wo auch immer sehen können. Da stöbern dann Comedyafficionados die wenigen Kostbarkeiten, die es gibt, auf, denn 99 Prozent sind natürlich Müll, weswegen ein berufstätiger Mensch gar nicht die Zeit hat, um selber zu suchen, speichern und verschicken sie an Gleichgesinnte. Da ist z. B. dieser begnadete Comedy-Pantomime, der Natalie Imbruglias »Torn« mimisch darstellt, mit unglaublicher Perfektion, die gleichzeitig so leicht daherkommt wie eine Joghurt-Mousse, man ist danach eine Zeit lang nicht mehr derselbe Mensch. Auf nicht ganz demselben Niveau, aber genauso komisch ist der Film, wo ein polnischer Obersteiger einem unsichtbaren Interviewer erklärt, dass es auf dieser Zeche keine Alkoholprobleme gibt. In diesem Moment taucht in der Bildmitte ein hackebreiter Mitarbeiter auf, der sich auch mit sanfter Gewalt nicht aus dem Bild ziehen lässt, schließlich aber von selber aus demselben fällt. Oder: Eine Gazelle in der Savanne pest mit fünfzig Sachen dahin, immer wieder Umschnitt auf Löwen, die sich die Lippen lecken, zuletzt eine Totale mit der dahinjagenden Gazelle, wir beten mittlerweile, dass sie den Bestien entkommen möge, der Paarhufer donnert volle Kanüle gegen einen Baum und macht einen Salto rückwärts. Das Bild zoomt rechts neben den Baum, wo zwei Löwen liegen, offenbar durch den Aufprall geweckt. Diese Slapstickelemente von W. C. Fieldscher Tücke in der unschuldigen Wildnis, wo man sie so gar nicht erwartet, sind für mich wertvoller als ein kleines Antilopensteak. Das Schöne ist, dass hier kein Programmbeirat oder andere Bedenkenträger einen Gedanken an Political Correctness verschwenden, wie auch bei dem holländischen Ausschnitt aus
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