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Nocturna - Die Nacht der gestohlenen Schatten

Titel: Nocturna - Die Nacht der gestohlenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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Geste zurück. »Es war auch ein Mädchen dabei.«
    »Sie wurde von den Dichtern entführt. Sie war heute Morgen sogar hier bei euch! Aber es hat ihr ja keiner geholfen.«
    »Vielleicht hat sie genauso viel Mist erzählt wie du«, sagte Soligo und bohrte Tigwid mit jedem Wort seinen Zeigefinger in die Brust.
    »Wenn wir Ihnen Mist erzählen wollten, würden wir die Geschichte doch wenigstens so simpel machen, dass jemand wie Sie sie auch kapiert, oder?«
    »Was soll denn das heißen?«, fragte Soligo drohend, wobei Tigwid nicht den leisesten Zweifel hatte, dass der Kommissar es wirklich nicht begriff. »Willst du meine Autorität anzweifeln? Soll ich dir mal sagen, was ich mit Pissern wie dir mache?«
    Mebb verschnürte die Protokollmappe und sah Tigwid an. Unter dem kalten Blick der Kommissarin musste er schlucken. Aufgeblasene Kerle wie Kommissar Soligo kannte er zur Genüge - wenn sie keine lästigen Polizisten wurden, schlugen sie die Laufbahn lästiger Ganoven ein, aber hinter der großen Klappe verbarg sich in beiden Fällen nichts als heiße Luft. Vor stillen Leuten wie der Kommissarin aber hatte Tigwid gelernt, sich in Acht zu nehmen.
    »Ich werde ehrlich zu dir sein, Junge. Du steckst in großen Schwierigkeiten. Deine Freunde werden des Mordes bezichtigt. Und du verrätst uns nicht, wo sie sind. Du verrätst uns
nicht einmal deinen Namen.« Sie lehnte sich vor. »Früher oder später wird dich jemand identifizieren. Gewiss hast du dich in Eck Jargo herumgetrieben. Viele deiner Freunde von dort sind schon längst bei uns und die sind redseliger als du. Sag uns deinen Namen. So schlimm kann er nicht sein, du bist noch jung und hattest noch nicht so viel Zeit, um ihn allzu sehr zu belasten. Und wenn du für jemanden gearbeitet hast, an dem wir womöglich Interesse haben … können ein einziger Name, eine kleine Information dich vor einem Prozess bewahren. Verstehst du, was ich meine? Es ist nur zu deinem Besten.«
    Tigwid begann, leise zu lachen. »O nein! Ihr spielt die Böser-Bulle-guter-Bulle-Nummer? Nachdem mich die Schmalzlocke einschüchtert, gewinnen Sie mit Ihrer Fürsorglichkeit mein Vertrauen! Ich bitte Sie. Das durchschaut doch jeder.«
    »Falsch geraten«, knurrte Soligo. »Meine Kollegin ist alles andere als fürsorglich, das wirst du noch merken.«
    Tigwid erwiderte nichts, als die Kommissarin ihn ausdruckslos ansah. Im Grunde bezweifelte er auch, dass Kommissar Soligo seine Widerwärtigkeit während der vergangenen Stunden nur gespielt hatte. So viel Einfallsreichtum und Ausdauer besaß kein Schauspieler.
    Schließlich zog Mebb die Handschuhe wieder an und erhob sich. »Ich fürchte, ich habe nicht genug Zeit für Kinderspiele. Wenn du so weit bist, mit uns zu kooperieren, komme ich wieder.« Sie drehte sich um und verließ das kleine Verhörzimmer.
    Soligo ordnete seine Hemdsärmel und folgte ihr wortlos. Mit einem Klicken fiel die Zimmertür hinter ihnen zu.
    Tigwid blieb alleine auf seinem Stuhl zurück. Ein bleiernes Elendsgefühl kam mit der Stille über ihn. Festgenommen… Er war seit drei Jahren nicht mehr festgenommen worden!
    Wenigstens hatte er weder seinen Namen noch Apolonias verraten und der Gedanke spendete ihm Trost. Wenn die Polizei
erst einmal erfuhr, dass er für Mone Flamm arbeitete, ließ man ihn gewiss nicht gehen, ehe er auspackte. Und das konnte er natürlich nicht.
    Tigwid schloss die Augen. Er brauchte einen Plan, um hier rauszukommen.
    Die Polizei würde ihm nicht helfen, Morbus und die Dichter zu überführen, das stand fest - er hatte es eigentlich auch nicht erwartet. Wenn er es nicht besser wüsste, würde er die Wahrheit selbst nicht glauben können.
    Er musste unbedingt Apolonia und Vampa finden und Professor Ferol das Blutbuch stehlen. Das war ihre einzige Rettung.
    Aber er wusste nicht einmal, wo Apolonia und Vampa waren und ob es ihnen gut ging. Vielleicht steckten sie in der Klemme… Vielleicht umzingelten sie in diesem Augenblick die Dichter und raubten Apolonia ihre Erinnerungen. Und sollte er sie je wieder treffen, würde sie längst vergessen haben, dass sie sich gekannt hatten… Tigwid drückte sich die Handballen gegen die Augen.
     
    Es war dunkel geworden. Samtig blaue und violette Wolkenschleier zogen über den winterlichen Himmel. Bald glommen Lichter in den Straßen und Häusern auf, wie schläfrige Augen, die eins nach dem anderen unter der Schneedecke hervorlugen.
    Bassar wandte sich vom Fenster ab, als es an seiner Bürotür klopfte. »Kommen

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