Nocturna - Die Nacht der gestohlenen Schatten
trat in seine Augen. »Tja, woher weißt du so was bloß immer?«
Mit einem ungewollten Grinsen nahm Apolonia das Brot entgegen und biss ab. Wenn Trost sich in etwas Essbares verwandeln könnte, es hätte für Apolonia wie dieses Brot geschmeckt. Sie zog die Brauen hoch, während sie kaute, und versuchte, nicht allzu gierig auf den nächsten Bissen zu wirken.
Tigwid begann, auf und ab zu gehen. »Also, wir alle drei wollen die Dichter finden und ihnen das Handwerk legen. Die Polizei hilft uns erst, wenn wir einen Beweis haben. Ein perfekter Beweis wäre Vampas Buch.«
»Ich habe jahrelang versucht, es zu finden«, sagte Vampa.
Apolonia schluckte den letzten Bissen hinunter und legte das Brot vorerst neben sich ab. »Wo hast du Tigwids Buch gefunden?«
»Du meinst Der Junge Gabriel ?«, fragte Vampa.
»So, Gabriel heißt du?« Bevor Tigwid antworten konnte, stand auch sie auf und setzte nachdenklich einen Finger an die Lippen. »Also, Vampa? Wo hast du sein Blutbuch her?«
»Aus der Bibliothek von Professor Ferol.«
Apolonia und Tigwid starrten sich an.
»Du weißt, wo der Professor wohnt?«, fragte Tigwid mit
zitternder Stimme. »Wieso hast du das denn nicht gleich gesagt? Verdammt, du - du verrückter Kerl! Den Professor knüpf ich mir vor, diesen schwammigen Bücherwurm, diesen… Vampa, als Boxer weißt du doch, wohin man schlagen muss, damit es schön wehtut? Wir prügeln einfach alles aus ihm raus, was wir wissen wollen, und dann schleppen wir ihn zur Polizei, damit er beichtet!« Tigwids Augen leuchteten. »Glaub mir, ich weiß, wie man Leute zum Sprechen bringt. Die Dichter sind uns ausgeliefert!«
Apolonia lächelte. Wie war das doch gerade mit der Hilflosigkeit gewesen …? Wie sie sich auch eben noch gefühlt haben mochte, es schien wie weggeblasen. Vampas Unsterblichkeit und dazu sein Blutbuch waren der beste Beweis für die Schreckenstaten der Dichter - sie würden Morbus und seine Lehrlinge vernichten!
Tigwid ergriff ihre Hände. Seine Finger drückten ihre warm und fest. »Apolonia, glaub mir, wir beide -«
Die Bürotür stieß auf. Ein Polizist in blauer Uniform betrat das Zimmer, zwei weitere folgten ihm.
»Wer von euch ist der Boxer aus Eck Jargo ?«
DerZug
A polonia war wie erstarrt. Auch Tigwid stand mit offenem Mund da. Nur Vampa zeigte keine Überraschung - natürlich.
»Ich bin der Boxer.«
An den misstrauischen Blicken der Polizisten konnte Apolonia ablesen, dass Vampa auch sie irritierte. Der eine ließ die Hand unwillkürlich zu seinem Schlagstock hinabgleiten, ein anderer gaffte mit leicht geöffnetem Mund.
»Sie - Sie sind festgenommen«, stotterte der Letzte und zog Handschellen aus seinem Gürtel.
Vampa kam langsam auf sie zu. »Was ist mit meinen Freunden?«
»Ihren was…?« Der Polizist riss seinen Blick von Vampa los und blinzelte Tigwid und Apolonia an. Sofort ließ Apolonia ihn los. »Die werden wir vorerst mitnehmen.« Der Polizist öffnete die Handschellen und griff zögernd nach Vampas Arm, fast als erwarte er, dass er sich in Luft auflösen würde wie ein Geist. Als nichts dergleichen geschah, packte er ihn fester und zog ihn zu sich heran.
In diesem Augenblick riss Vampa ihn nach vorne und stieß ihm mit dem Kopf gegen die Nase. Der Polizist schrie auf und stürzte zu Boden, während Vampa sich vor dem Schlagstock
des zweiten duckte. Blitzschnell zog er dem Mann seinen Schlagstock aus der Hand und hob ihn wie ein Schwert zur Abwehr des Dritten. Er drehte sich zur Seite, seine Waffe traf einen der Polizisten am Hinterkopf und den Letzten im Nacken. Alle drei Männer lagen jaulend auf dem Boden.
»Lauft«, sagte Vampa, ließ den Schlagstock fallen und sprang über die Polizisten hinweg aus dem Büro.
Apolonia und Tigwid gehorchten aufs Wort. Eine Hand griff noch nach Tigwids Fuß, konnte ihn aber nicht mehr zurückhalten.
Sie stürzten die wackelige Treppe hinunter und rannten durch die Halle. Hinter ihnen verwandelten sich die wüsten Rufe in Gepolter, als die Polizisten ihre Verfolgung aufnahmen. Ein Schuss ging los - irgendwo seitlich von ihnen sprang eine Kugel durch die Luft. Sie sprinteten nach links, unter einer mächtigen Druckmaschine hindurch. Als sie wieder herauskamen, waren ihre Haare und Schultern vor Staub ergraut - aber die Feuertreppe, die ins Freie führte, war nur noch wenige Meter entfernt.
Apolonia schnaufte. In zwei Jahren hatte sie sich sportlich nicht so betätigt wie in den letzten zwei Tagen - langsam reichte es ihr mit den
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