Nocturne City 03 - Todeshunger
markerschütternden Schreie zu ignorieren und in sein verzerrtes Antlitz zu schauen. Seine Augen starrten mich wie die finsteren Knopfaugen einer besonders gruseligen Kinderpuppe an.
»Er ist ein Mörder«, rief ich Wiskachee zu und zeigte auf Donais bebenden Körper. Seine Klauen hatten mich sehr geschwächt. Auch meine Stimme versagte nun, sodass ich nur noch wispern konnte: »Er hat dein Opfer getötet. Es war nicht das Blut eines Willigen, das hier vergossen wurde!«
Wiskachee starrte mir einen Moment lang in die Augen. »Tauthka du dan«, hauchte er.
»Nein!«, ächzte Donal. »Glaubst du einer dahergelaufenen Insoli mehr als mir? Ich habe dich zurückgebracht. Ich habe an dich geglaubt.«
»Möglicherweise solltest du es mal mit der Wahrheit versuchen, Macleod, dann würdest du länger leben.«
Wiskachee stieß ein zischendes Fauchen aus und zog seine Lippen zurück. Sein Gesicht schien nur noch aus rasierklingenscharfen Zähnen zu bestehen.
»Nein«, schnaufte Donal mit rasselnden Atemgeräuschen.
Anscheinend füllte sich seine Lunge langsam mit Flüssigkeit. »Nein, neinneinnein …«
»Ich frei«, zischte Wiskachee, »und hungrig!« Mit zögernden Schritten kam er auf uns zu.
»Nimm sie! Nicht mich! So einen Tod verdiene ich nicht!«, schrie Donal und versuchte, mich in Richtung des Hungergotts zu stoßen.
Wiskachee holte aus. Offensichtlich war er nicht sonderlich wählerisch, was seine Opfer anging. »Verpiss dich!«, schrie ich und trat zu. Als meine Magie mit der des Hungergotts kollidierte, durchzuckte mich ein außerordentlich starker Schmerz. Es war deutlich, dass ich chancenlos gegen ihn war. Trotzdem war ich entschlossen, bis zum Letzten zu kämpfen und mich nicht einfach so aussaugen zu lassen.
Plötzlich packte mich eine Hand von hinten an der Schulter und zog mich aus der Reichweite Wiskachees. »Untersteh dich, sie anzurühren!«, presste Lucas hervor. Er blutete stark aus den Wunden in seiner Brust und stolperte mehr, als dass er ging. Seine Lippen waren blau angelaufen und seine Pupillen durch den Schock geweitet.
Donal fixierte ihn ungläubig. »Wie kann das … wie kann das sein?«, stammelte er.
»Es ist schwer, mich zu täuschen …«, antwortete Lucas, »… aber noch schwerer, mich zu töten.«
Donal versuchte, auf Lucas einzuschlagen, aber ich fing seine Faust ab und verdrehte ihm das Handgelenk. Lucas schwankte bedrohlich und begann, krampfartig zu husten und schwarzrotes Blut zu spucken. »Denkst du wirklich, ich hätte es nicht gewusst, Donal? Denkst du wirklich, ich hätte noch nie zuvor einen Fetisch gesehen?«, grollte er. »Ich wollte sie ermorden, jeden Einzelnen von ihnen, und du hast mir die Chance dazu gegeben.«
Ich fühlte mich auf einmal, als müsste ich mich übergeben. »Du hast zugelassen, dass der Hungergott Besitz von dir ergreift?«
»Natürlich, und ich habe keinen Moment gezögert.« Seine Stimme wurde mit jedem Wort leiser. »Schließlich hatte ich nur so die Möglichkeit, diese Werwölfe zu erledigen.«
»Lucas!«, rief ich mit bebender Stimme. Auch mich holten die Folgen des Blutverlusts ein. »Was hast du getan?«
»Tut mir leid, Luna«, antwortete er. »Aber du würdest das nicht verstehen.«
Oh, Hex noch mal. »Ich würde es nicht verstehen?«, schrie ich, denn diesen Satz hatte ich schon allzu oft gehört. »Wie kannst du es wagen? Wie kannst du es verdammt noch mal wagen, Lucas? Du stößt meine Heimatstadt in den Abgrund und hast nichts Besseres als dieses dämliche ›du würdest das nicht verstehen zu bieten?!«
»Mein ganzes Leben …«, begann Lucas. »Mein ganzes Leben bestand nur aus diesem verdammten Abkommen, der entsetzlichen Armut meiner Familie und einem Vater, der seine Kinder schlug, um seine Wut über dieses Unrecht abzureagieren. Ein Leben lang auf den Knien und unter den Stiefeln der Werwölfe … das ist ungerecht! Aber ich werde es beenden, damit niemand mehr wie ich durchs Leben kriechen muss. Es ist wie eine Krankheit, die man ausbrennen muss.«
»Die Welt ist nicht nur schwarz-weiß«, flüsterte ich. »Werwölfe und Wendigos … was spielt das denn noch für eine Rolle? Wenn du etwas verändern willst, kannst du nicht einfach alles verwüsten und bei null beginnen. Was man dir angetan hat, war grausam und falsch, aber niemand kann sich sein Leben aussuchen. Wir alle bekommen nur eine Chance, und die müssen wir nutzen.«
Lucas ging in die Knie, Tränen strömten über sein Gesicht. »Ich wollte es besser machen,
Weitere Kostenlose Bücher