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Nörgeln!: Des Deutschen größte Lust (German Edition)

Nörgeln!: Des Deutschen größte Lust (German Edition)

Titel: Nörgeln!: Des Deutschen größte Lust (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric T. Hansen
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was sagen. »Der babylonische König Hammurabi erfand das schriftlich niedergelegte Gesetz«, sagte ich.
    »Mag sein«, meinte Ralf, und holte dabei sein erprobtes Moralisches-Schlag-Mich-Tot -Argument mit einer Prise Damit-Ist-Es-Nicht-Getan -Vorwurf hervor: »Aber was waren das für Gesetze? Etwa: ›Ich, Hammurabi, bin hier der Chef und jeder, der mir in die Quere kommt, bekommt eins auf die Nuss, und außerdem kann ich schreiben und ihr nicht, ihr Dumpfbacken!‹ Was glaubst du, was das für ein Typ war damals? Ein Faschist war das, ein Sadist, ein echtes Arschloch, seien wir doch ehrlich.«
    Tim spielte als Erster die Besserwisser-Karte. Zu der weltbewegenden Tatsache, dass wir den Juden die Tradition des Monotheismus zu verdanken haben, und das war weltgeschichtlich gesehen keine Kleinigkeit: ohne Monotheismus kein Christentum, ohne Christentum kein protestantisches Arbeitsethos, ohne protestantisches Arbeitsethos kein Flachbildschirmfernseher, meinte er ruhig: »Tun wir gar nicht. Das ist ein weit verbreiteter Irrtum. Das war Echnaton, der ägyptische Pharao. Siebzehn Jahre lang hat er alle anderen Götter verbannt, und es gab nur einen Sonnengott. Das war früher als die Juden. Es wurde lange diskutiert, ob die Juden diese Idee nicht von ihm hatten.«
    Als ich schon glaubte, alle mir bekannten Nörgeltechniken seien verbraucht, belehrte mich die skeptisch dreinblickende Tanja eines Besseren: Die ganz persönliche Nörgelei fehlte noch. Es gelang ihr sogar, diese Technik auf eine der schönsten Zeilen anzuwenden, die je geschrieben wurden:
    »Und jetzt Shakespeare«, sagte ich. »Aus Romeo und Julia : ›Was ist ein Name? Das, was wir eine Rose nennen, würde unter jedem anderen Namen ebenso lieblich duften.‹«
    »Mein Chef in der Werbeagentur«, sagte Tanja, »hatte mal von der Logik her einen sehr ähnlichen Spruch: ›Einer guten Idee ist es egal, wer sie hat!‹ Mit dieser Begründung hat er unsere Ideen als seine eigenen ausgegeben. Schon damals dachte ich: Wenn Shakespeare diesen blöden Satz nie geschrieben hätte, wäre mein Chef wahrscheinlich nie auf seine Rechtfertigung gekommen.«
    Im Vorfeld hatte ich mit mir gerungen, ob ich ein bestimmtes Beispiel zur Diskussion stellen sollte oder nicht. Es gibt Dinge in meinem Land, die mich so sehr berühren, dass ich mir einfach nicht vorstellen kann, dass man fähig ist, daran Anstoß zu nehmen.
    »Aus der Unabhängigkeitserklärung«, meine Stimme nahm einen feierlichen Klang an: »Alle Menschen sind gleich.«
    Ralf schnaubte nur.
    »Nun, dieser Spruch ist vor allem interessant im Zusammenhang mit den Indianern …«, fing Tim an.
    »Also, ich krieg mich nicht mehr ein!«, schnaubte Ralf weiter.
    »Guantanamo!«, rief Frederick C.
    »Also Eric, man braucht nur auf die lange Geschichte eurer Sklaverei zu gucken …«, hob Tanja an, wurde aber unterbrochen.
    »Hiroshima!« Das war wieder Frederick. »Schon bevor die Tinte trocken war, war das eine Lüge.«
    Ralf kriegte sich tatsächlich nicht mehr ein. »Also das … das …«, spuckte er, »das geht gar nicht! Als Amerikaner hat man nicht mal das Recht, diesen Satz in den Mund nehmen.«
    Diese meine Freunde wären empört, würde man sie als Patrioten bezeichnen. Hätte ich sie gebeten, über Deutschland herzuziehen, wären sie dem mit Lust und Leidenschaft nachgekommen. Doch weil alle Themen auf meiner Liste aus dem Ausland stammten, konnten sie nicht widerstehen, sie mit ihrer Heimat zu vergleichen, die dabei meist erstaunlich gut wegkam.
    Zum Flug der Brüder Wright behauptete Tanja stolz, »ohne die Vorarbeit von Lilienthal und Benz hätten sie das nie geschafft. Das ist eigentlich unser Verdienst.« Und auf den Spruch des französischen Philosophen Albert Camus, »Die Freiheit besteht in erster Linie nicht aus Privilegien, sondern aus Pflichten«, reagierte Andi mit Erstaunen: »Das klingt eher nach Bismarck als nach einem frivolen Franzosen. Er muss einen schlechten Tag gehabt haben.«
    Ich hakte nach: »Ist das eine Nörgelei über die Franzosen oder über die Deutschen?«
    »Über beide, natürlich!«
    Es war faszinierend zu beobachten, wie im Gemäkel ihre Persönlichkeiten erblühten. Tim war mit Leib und Seele Journalist, und so nörgelte er auch.
    »Russland«, fuhr ich fort. »Tolstoi: ›Alle glücklichen Familien gleichen einander. Jede unglückliche Familie ist auf ihre eigene Art unglücklich.‹«
    »Schon möglich, dass es verschiedene Arten von Unglück gibt«, meinte er, und die

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