Nörgeln!: Des Deutschen größte Lust (German Edition)
einen Weg gesucht, ihr das zu geben, was sie wollte, damit endlich Ruhe ist. Also wurde ein psychiatrisches Gutachten über sie eingeholt, das aussagte, die Frau leide unter ›mangelndem sozialem Verhalten und mangelnder Impulskontrolle‹ – ergo unter Querulantentum. Mit einem zugedrückten Auge wurde das dann als Berentungsgrund akzeptiert, und man glaubte, es sei endlich vorbei. Aber dann ging es von vorne los. Die Frau protestierte: ›Ich möchte aber lieber aufgrund meiner orthopädischen Beeinträchtigung berentet werden, statt aus psychischen Gründen‹ und zog erneut vor Gericht.«
Man muss schon zugeben: Dieses Land hat einfach alles, was ein Nörglerherz begehrt.
Trotzdem fehlt eine endgültige Antwort auf die zentrale Frage, die jeder Mensch mit einem kritischen Bewusstsein mit sich herumträgt: Sind die Deutschen wirklich die besten Nörgler der Welt?
Also entschloss ich mich auf eigene Faust zu einem Experiment, das die letzten Zweifel ausräumen sollte.
Es ging darum, zu zeigen, dass die Deutschen selbst da nörgeln können, wo andere Völker schweigen. Können sie das tatsächlich, dann muss man logischerweise anerkennen, dass sie in dieser Disziplin weltweit die Besten sind.
Als Erstes stellte ich mir eine Liste von menschlichen Höchstleistungen, historischen Persönlichkeiten und erhabenen Weisheiten aus der ganzen Welt zusammen, die in anderen Ländern niemand in Frage stellen würde.
Nun habe ich das große Glück, dass sich in meinem Freundeskreis einige der besten Nörgler Deutschlands befinden. Moserer vom Feinsten sind das, wahre Giganten des Krittelhandwerks, und ich genieße das große Vorrecht, wann immer wir uns sehen, einiges von ihrer Kunstfertigkeit abzubekommen. Diese lud ich zu einem Gipfeltreffen der Nörgelei ein und legte ihnen nach und nach meine Top-Zeugnisse der Spitzenleistungen, Weisheiten und Künste der menschlichen Rasse vor.
Ralf I. stellte sein Altbauwohnzimmer mit Holzdielen und hoher Decke sowie seinen riesigen gemütlichen Holztisch zu Verfügung. Auf seiner akustisch wie optisch perfekten Stereoanlage spielte eine Abfolge der besten Popsongs, die je komponiert wurden, und die alle dem hohen Standard seines kritischen Ohrs standgehalten hatten. Tanja S. brachte die Kinder ins Bett, Bier und Wein wurden auf den Tisch gestellt, und langsam fand sich die Crème de la Crème der Berliner Nörgler ein.
Schon bei der ersten Frage drohte die Runde zu scheitern.
Ich hatte mir gedacht, ich fange mit meiner Heimat an und legte ihnen eine Wahrheit vor, die kein Hawaiianer je in Frage stellen würde: »Die Taro-Wurzel ist eine nahrhafte Speise«.
Sie blickten mich besorgt an.
»Eric, du weißt, dass wir alle bereit sind, dir bei deinen Nachforschungen zu helfen«, sagte Ralf und schenkte sich Wein ein. »Aber erstens redest du wirres Zeugs, und zweitens weiß keiner hier, was eine Taro-Wurzel ist.«
»Ein richtiger Nörgler muss keine Ahnung haben«, gab ich zurück.
Die Gipfelnörgler schauten sich fragend an. Zum ersten Mal ahnten sie, wie hoch die Messlatte überhaupt lag. Ich wartete. Und wartete. Dann, endlich, nahm die schöne Tanja die Herausforderung an:
»Wenn sie so toll ist, warum haben wir nie davon gehört?«
Es war die perfekte Nörgelei, exakt, wahr und vernichtend. Die anderen Nörgler nickend zustimmend: Jetzt hatten sie verstanden.
»In Ordnung«, sagte Tim H. »Es kann losgehen.«
Die Vielfalt an leidenschaftlichen Beschimpfungen, herablassenden In-Frage-Stellungen, verächtlichen Ironisierungen, sarkastischen Beiseite-Schiebereien und harten intellektuellen Auseinander-Pflückungen, die mir in den nächsten Stunden nur so um die Ohren flogen, war erstaunlich.
»Alexander der Große eroberte die halbe Welt«, sagte ich als Nächstes.
»Na sicher, die Ferienorte der Welt hat er erobert!« Andi R. hatte sich die Strategie Der irrelevante Vergleich ausgesucht: Man vergleicht das Thema mit irgendwas, das gar nichts damit zu tun hat, und reitet darauf herum, bis es irgendwie doch einen Sinn ergibt. »Im Robinson Club habe ich auch schon einige Eroberungen gemacht. Der Herr hat sich an die warmen Regionen gehalten, im Gegensatz zu Napoleon, der sich echten Herausforderungen wie Russland gestellt hat. Ich hätte Alexander den Großen gern im Winter in Stalingrad gesehen, in seiner komischen Rüstung da, halbnackt, mal sehen, ob er da noch so groß gewesen wäre.«
Na gut. Aber gegen die Grundlage des westlichen Rechtssystems kann wohl niemand
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