Nonstop in die Raketenfalle
damit
hergekommen. Ich hatte mordsmäßigen Schiss. Über die Leiter dort bin ich hoch
auf den Heuboden.«
Der Heuboden war in etwa vier
Meter Höhe und nahm ungefähr die Hälfte der Scheune ein. Eigentlich war es nur
ein Bretterboden in luftiger Höhe, vormals bis unters Dach angefüllt mit Heu, jetzt
völlig leer, aber sicherlich Heimstatt für Spinnen, nistende Vögel und
Fledermäuse.
»Ja, und?«, fragte Tim. »Mach
mal voran mit dem Märchen!«
»Ist kein Märchen, Tim, sondern
echt wahr. Ich hab mich oben auf die Bretter gelegt und durch einen Spalt geguckt.
Hab nicht gewagt zu atmen. Man weiß ja nicht, ob so ein Typ einen anzeigt.
Uniform ist Uniform und... jedenfalls sah ich, was er machte. Er hat nämlich
den Behälter geöffnet und Geldbündel rausgenommen. Ich sag dir, so viel Knete
auf einem Haufen habe ich noch nie gesehen. Er hat die Geldbündel abgezählt.
Ich hörte, wie er murmelte. So, 200 000! Das hat er gemurmelt. Dann hat er
einen großen Leinenbeutel unter der Jacke hervorgeholt und alles Geld, das noch
im Behälter war, reingeschüttet. Das war viel, viel mehr als die 200 000. Die
200 000 hat er wieder in den Behälter getan. Den Leinenbeutel hat er hier
drinnen hinterm Tor auf den Boden gelegt. Mit dem Behälter ist er abgezittert,
zurück zum Wagen. Ich hörte, wie er abfuhr, bin zur Wand gekrochen und hab’s
auch gesehen.«
»Und? Wo hast du den
Leinenbeutel?«
»Denkst du etwa, ich hätte mich
daran vergriffen?! Tim, mir war klar, dass die Sache total ätzend ist. Gleich
musste es weitergehen, und ich habe nur gehofft, dass ich nicht bemerkt werde
und die Sache überlebe. Es hat auch nur Minuten gedauert. Dann hörte ich ein
Motorrad. Es dröhnte heran. Gesehen habe ich’s nicht, weil ich diesmal ganz
hinten lag und mich nicht gerührt habe. Es klang, meine ich, wie eine Harley
Davidson, eine schwere, mindestens eine 1000er. Der Typ fuhr bis vors Tor und
kam rein. Schwarze Lederkluft und Helm. Den hat er nicht abgenommen. Er hat
sich den Beutel gegrapscht, hat reingeguckt und ist weg. Und ich dachte: Habe
ich nun richtig gesehen oder nicht?«
»Was meinst du speziell?«
»Irgendwie kam’s mir so vor,
als sei’s eine Frau gewesen.«
»Warum nicht?«, nickte Tim.
»Ein Mannweib wird auch mit einer 1000er fertig. Jedenfalls, Leon, warst du
Zeuge bei einem hausgemachten Geldraub. Bin gespannt, was der Uniformierte zu
sagen hat. Warum lässt er nicht alles da, sondern alles abzüglich 200 000. Na,
das wird Kommissar Glockner interessieren. Wir beide fahren jetzt ins Präsidium.«
Leon wich zurück. »Aber dann
fliege ich auf.«
»Deine Schwänzerei wird
wahrscheinlich kein Thema sein. Stattdessen bist du der Held des Tages. Durch
dich wird ein Geldraub aufgeklärt, bevor die Ermittlungen anfangen. Vielleicht
kriegst du eine Belohnung. Und das könnte eine Menge sein.«
»Lieber möchte ich im
Hintergrund bleiben. Könntest du nicht sagen, dass du hier warst und alles
beobachtet hast.«
Tim lachte. »Leon! Wäre ich
hier gewesen, könnten wir den Kradfahrer — egal ob Kerl oder Tussi — samt dem
Geld im Präsidium abliefern. Einen ruppigen Gegner, wenn männlich, hätte ich
mit Stacheldraht gefesselt.«
Leon nickte betröpfelt. »Stimmt
auch wieder. Also, wenn’s sein muss! Aber da ist noch was zum Mitnehmen.«
»Hm?«
Leon wies in die rechte hintere
Ecke, wo man altes Baumaterial abgeladen hatte: Säcke mit inzwischen
steinhartem Zement, Bretter, abgerindete Balken, Kantholz, einen Auflagerbock,
dem ein Bein fehlte, und ein verrottetes Aufzugseil. Das unbrauchbar gewordene Zeug
stapelte sich übermannshoch.
»Dahinter ist ein Radio.«
»Was?«
»Ein Mordsding. Ein richtiger
Ghettoblaster. Mit Riesenantenne. Ziemlich neu. Möchte wissen, wer den
vergessen hat. Das Ding hat eine irre große Tonbandspule. Ich glaube, es ist
was drauf. Entdeckt habe ich den Apparat eigentlich nur, weil ich pinkeln
musste. Und in der Ecke ist ja ohnehin nur Unrat.«
»Wo ist jetzt das Gerät?«
»Noch dort.«
Tim kletterte seitlich über den
Schutt und fand das silbrige Monstrum. »Der Apparat ist eingeschaltet, Leon.«
»Das war so. Hat mich auch
gewundert. Wie lange spielt er eigentlich mit Batterien? Ich gehe mit meinen
Geräten immer ans Netz.«
Tim kletterte zurück, stellte
das Gerät auf den Boden und machte sich rasch mit der Technik vertraut. Er ließ
das Band zurücklaufen, schaltete ein und die Lautstärke auf volle Phonzahl.
Für einen Moment war nur ein
Rauschen zu
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