Nonstop in die Raketenfalle
jetzt!
»Was ist mit Paolo?«, fragte
Gaby.
»Bei ihm brennt offenbar die
Hütte. Er ruft um Hilfe. Aber nur nach uns.« Tim wandte sich an Indira. »Tut
mir wahnsinnig Leid. Wir müssen das kunsthistorische Interview verschieben.
Einem unserer Freunde, einem italienischen Gastronomen, steht offenbar das
Brackwasser bis zur Unterlippe.«
»Hilfe leisten geht vor«,
erwiderte die Studentin. »Ist doch selbstverständlich. Wir können uns jederzeit
unterhalten. Ich bin für euch da.«
»Ist riesig nett von dir,
Indira. Wir rufen dich bald an und machen einen neuen Termin. Wir freuen uns
schon.«
Das Unwetter draußen hielt an.
Die Bikes trieften vor Nässe. Tim opferte drei Papiertaschentücher, wischte erst
Gabys Sattel trocken, dann seinen eigenen.
»Eigentlich sind wir ja blöd«,
sagte Karl. »Warum fahren wir nicht Bus oder U-Bahn wie alle andern?«
»Weil wir wetterhart sind«,
lachte Gaby.
»Ist sicherlich gesund«, meinte
Klößchen, »aber auch sehr ungemütlich.«
»Hat Paolo was Genaues
gesagt?«, forschte Gaby.
Tim verneinte. »Mich macht
stutzig, dass er sich nur uns anvertrauen will. Und nicht der Polizei. Das
könnte bedeuten, man setzt ihn unter Druck. Nach dem Motto: Keine Polizei,
sonst passiert was — dir oder den deinen. Also geht’s vermutlich um Erpressung.
Okay, wir werden sehen.«
Gegen Wind und Regen gestemmt,
radelten sie durch die Stadt, erreichten die Trattoria und schwenkten auf den
Hof ein, wo sich Kisten mit leeren Weinflaschen stapelten und Abfalltonnen wie
stumme Diener in einer Reihe standen.
Paolo hatte sie bemerkt und
riss die Hintertür auf.
Du meine Güte!, dachte Tim. Der
sieht ja aus, als hätte er ‘ne Auszeit genommen bei seiner eigenen Aufbahrung.
Leiche auf Urlaub! Nie hat es besser gepasst.
Paolo schluchzte und machte
Anstalten, alle zu umarmen. Bevor Gaby an der Reihe war, schob sich Tim
dazwischen und fasste den Italiener an den Schultern.
»Beruhig dich, Paolo! Was es
auch ist, wir werden damit fertig.«
»Es ist... es ist... Aber kommt
erst mal rein. In diesem pisciatoio haben die Wände Ohren.«
Tim, der das italienische Wort
nicht kannte, überlegte, was es bedeuten könne, verzichtete aber zu fragen —
wegen Gaby — , denn die Übersetzung hörte sich garantiert unfein an, sonst
nämlich hätte sich Paolo, der ein höflicher Mensch ist, deutsch ausgedrückt.
»Da!« In seinem Büro wies Paolo
zum Schreibtisch.
Dort lagen das zum Brieföffner
zweckentfremdete Küchenmesser, das TKKG schon kannten, und ein
maschinebeschriebener Briefbogen sowie der vermutlich zugehörige Briefumschlag.
Er war mit der Post gekommen, nämlich frankiert.
»Darf ich?« Tim griff bereits
nach dem Briefbogen, wobei er ihn nur mit den Fingerspitzen am Rande berührte.
Dann las er. Danach las er den Text vor.
Für einen Moment herrschte
Stille. Bestürzung war abzulesen von den Gesichtern der Freunde.
»Hört sich nicht nach einem
Spaß an«, sagte Karl. »Sondern nach Profis.«
»Es ist unsäglich«, Gabys
Stimme kiekste vor Empörung, »Frauen und Kinder zu bedrohen. Verbrechen an
Kindern! Typen, die das fertig bringen, verdienen doch nicht, dass man sie
Menschen nennt.«
»Die Sitten verrohen immer
mehr«, nickte Klößchen mit umwölkter Stirn. »Angefangen hat’s damit, dass es
plötzlich erlaubt war, Kartoffeln auf dem Teller mit dem Messer zu
zerschneiden, statt wie früher mit der Gabel zu zerdrücken. Dann kam die
Emanzipation und... äh, nee, ich glaube, ich bin auf der falschen Schiene.«
»Gut, dass du’s
merkst!«,zischte Gaby ihn an. »Hier geht’s um Paolos Familie und nicht um
Witzelei.«
Tim war ans Fenster getreten
und hielt den Schrieb in das etwas hellere Licht. Aber der Tag draußen war zu
grau. Also ging Tim zum Schreibtisch und schaltete die Lampe ein. In ihrem
Schein prüfte er den Erpresserbrief.
»Mit bloßem Auge sind keine
Fingerabdrücke zu sehen. Und bestimmt sind da auch keine.«
Tim nahm das Kuvert. Auch die
Anschrift war mit Maschine getippt. Der Absender fehlte natürlich. Die
Briefmarke — mit einem Blumenmotiv — war verkehrt herum aufgeklebt, stand auf
dem Kopf.
»Hm.« Er legte den Umschlag
zurück.
»Fällt dir was auf?«, fragte
Gaby. »Oder machst du dich nur wichtig?«
»Sei nicht so ungeduldig. Meine
grauen Zellen arbeiten ja schon.«
Paolo stand in der Mitte des
Raums und hielt die gefalteten Hände vor sich, als bete er. »Warum wollen die
mich berauben? Warum ausgerechnet mich? 500 000 — das ist doch viel
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