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Nora Morgenroth: Die Gabe

Nora Morgenroth: Die Gabe

Titel: Nora Morgenroth: Die Gabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Michelsen
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verzichten sollen.
    A ls Hedda aufschrie, riss ich die Augen auf und wusste nicht, wo ich war.
    „Was zum Teufel …“
    Ich wurde in den Sitz gepresst, als säße ich in einem Karussell. Alles drehte sich, viel zu schnell. Es fühlte sich an, als müsste ich mich übergeben. Erst als es ohrenbetäubend knallte und wir kopfüber fielen, wurde mir klar, dass mir nicht einfach nur schwindelig geworden war.
    „Hedda!“, schrie ich noch oder ich glaubte zumindest, dass ich es war, die rief. Jedenfalls war das letzte, was ich hörte, der Name meiner kleinen Schwester. Dann ein heftiger Schlag und lauter Knall. Und dann Stille.
    Erst am nächsten Tag wachte ich wieder auf. Natürlich wusste ich in jenem Moment weder, wie viele Stunden vergangen waren, noch, was geschehen war. Das meiste ließ sich später aus den Aussagen der Personen rekonstruieren, die kurz nach dem Aufprall am Unfallort angelangt waren.
    Ich kam nur langsam zu mir, dämmerte immer wieder weg. Als ich die Augen zum ersten Mal richtig öffnete, erkannte ich Mutter, die auf einem Stuhl saß, der neben einem Bett stand, in dem ich lag und das ich nicht kannte. Hinter ihr befand sich ein vorhangloses Fenster. Die Sonne schien.
    „Nora“, sagte sie, „was machst du denn für Sachen!“
    Es musste ein böser Traum sein, wenn Mutter mit gefalteten Händen an meinem Bett saß und ich schloss schnell die Augen. Als ich sie das nächste Mal öffnete, war der Stuhl leer. Das fand ich so beruhigend, dass ich gleich wieder einschlief.
    „Frau Morgenroth, können Sie mich hören?“
    Eine fremde Stimme kam von ganz weit her.
    „Frau Morgenroth, können Sie mich hören?“
    „Hmmm.“
    Mehr bekam ich nicht heraus. Meine Lippen waren trocken und die Zunge pelzig und geschwollen , sie lag wie ein Fremdkörper in meinem Mund. Ich spürte, wie eine Hand sich sanft unter meinen Nacken schob und den Kopf leicht anhob. Gierig saugte ich an dem Halm, der zwischen meine Lippen geschoben wurde.
    „Nicht so hastig, Frau Morgenroth, erstmal nur einen kleinen Schluck, ja?“
    Die Hand bettete mich wieder auf das Kissen. Ich öffnete die Augen und blinzelte. Die Sonne schien mir ins Gesicht. Eine Gestalt in Weiß bewegte sich in Richtung des Fensters. Dann rasselte etwas herunter und ließ das Licht nur noch in feinen Streifen in den Raum. Alles war sehr weiß und fremd. Ich fokussierte meine Augen auf die Person, die wieder an das Bett herangetreten war. Graue Haare, zu einem losen Dutt gefasst, aus dem sich einzelne Strähnen gelöst hatten, ein Stethoskop um den Hals, der weiße Kittel – langsam sickerte es in mein Bewusstsein ein: Das hier war ein Krankenhaus. Allerdings hatte ich nicht die leiseste Ahnung, wie ich hierhergekommen war und warum.
    „Wo bin ich?“, nuschelte ich.
    „Frau Morgenroth, ich kann Sie leider nicht verstehen. Warten Sie.“
    Wieder die gleiche Prozedur: Kopf anheben, einen Schluck trinken, hinlegen. Ich glaube nicht, dass jemals in meinem Leben mich etwas so köstlich erfrischt hatte wie dieses Wasser.
    „Hedda?“, murmelte ich. Dann musste ich wieder eingeschlafen sein, denn ich träumte, dass Marc mit mir sprach. Sehen konnte ich ihn nicht, nur einen Schatten, der sich hinter einem Schleier aus rötlichem Nebel oder Rauch bewegte. Doch es war eindeutig seine Stimme.
    … Hedda …, sage ihr… dass ich sie liebe…  ihr verzeihe…  alles meine Schuld. Schuld. Schuld. Schuld …
    D er Schatten entfernte sich langsam und wurde kleiner, bis er kaum noch zu erkennen war. Marcs Stimme wurde währenddessen immer leiser. Ich wollte rufen, dass er zurückkommen sollte, aber ich konnte nicht. Die Stille, in der ich zurück blieb, war so verstörend, dass ich schweißgebadet erwachte.
    Ich bin sicher, dass dies das erste Zeichen war, aber da ich geschlafen hatte, war es nur natürlich, von einem schlechten Traum auszugehen.
    Das erste, was ich sah, war Mutter, die auf dem Stuhl an meinem Bett saß und in einer Illustrierten blätterte. So blieb mir etwas Zeit, ehe sie bemerkte, dass ich wach war. Als ich mich bewegte, sah sie hoch und warf die Zeitschrift beiseite.
    „Nora, hörst du mich?“
    Vor allem hatte ich entsetzlichen Durst. Ich nickte und sah mich suchend nach dem Becher um. Schlapp hob ich einen Arm und ließ ihn wieder sinken. Es war, als hingen Gewichte daran, so schwach und müde fühlte ich mich, obwohl ich doch gerade erst aufgewacht war. Mutter war aufgesprungen und lief an die halb offen stehende Schiebetür.
    „Kann bitte

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