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Norden ist, wo oben ist

Norden ist, wo oben ist

Titel: Norden ist, wo oben ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rüdiger Bertram
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für alle, alle für einen! Attacke!“
    Sie dreht sich um und stürzt sich mit dem Florett in der Hand den unsichtbaren Angreifern entgegen, den sicheren Tod vor Augen.
    Mel hat nichts gefunden, denke ich. Gar nichts. Kein Foto und auch sonst keinen Hinweis, dass das hier mein Haus ist. Es war alles nur ein Spiel. Ich bin wahnsinnig erleichtert. Ich schnappe mir einen Ast, den der Wind von einem der alten Bäume gerissen hat, und stürme ihr hinterher.
    Einer für alle, alle für einen!
    Über uns treiben die dunklen Wolken immer schneller, während wir nebeneinander im Gras liegen. Wir haben unsere Gegner vernichtend geschlagen und das verbindet mehr, als gemeinsam in eine leer stehende Villa einzubrechen.
    „Übrigens heißt der Typ D’Artagnan und nicht Artagon. Und streng genommen waren es nicht drei, sondern vier: Porthos, Athos, Aramis und D’Artagnan.“
    „Klugscheißer“, antwortet Mel und pikst sich selbst mit dem Florett leicht gegen die Brust. „Ist so eine Jacke eigentlich sicher? Ich mein, wenn man richtig zusticht. Hält das dann?“
    „Woher soll ich das wissen?“, antworte ich schlau.
    „Komm, wir probieren das aus!“, ruft Mel. Sie steht auf und reicht mir das Florett. „Du kriegst das Schwert, ich nehme den Stock.“
    „Das ist kein Schwert, das ist ein Florett“, bemerke ich blöd.
    „Weißt du, dass du einem mit deiner Besserwisserei ganz schön auf die Nerven gehen kannst?“, sagt Mel und setzt sich die Maske auf. „Und nun greif schon an!“
    Ich gehe in Grundstellung, das heißt, ich stelle mich seitlich zu ihr und gehe leicht in die Knie. Mel steht mir breitbeinig gegenüber, was es noch einfacher macht, sie zu treffen.
    Ich täusche einen Angriff an, ziehe das Florett in letzter Sekunde zurück und stoße überraschend auf der anderen Seite zu. Ich treffe sie genau auf ihr Herz. Ohne meine Fechtjacke wäre sie jetzt tot.
    „Touché!“, rufe ich.
    „Aua!“, brüllt Mel. „Das tut weh!“
    „Immerhin lebst du noch, das ist doch schon mal was“, erwidere ich.
    „Noch mal!“, ruft Mel und reibt sich mit der linken Hand ihre Brust.
    Diesmal versucht Mel anzugreifen, aber es ist ganz leicht, ihre Schläge abzuwehren. Mit dem Florett drücke ich ihren Stock zur Seite und stoße selber zu. Diesmal treffe ich sie an der rechten Schulter.
    Ich bin kein besonders guter Fechter. Die meisten Gefechte bei mir im Verein verliere ich, eigentlich sogar alle, aber Mel macht es mir wirklich leicht. Allein schon, weil sie mir immer noch frontal gegenübersteht. Da bietet sie mir eine Menge Trefferfläche und ich wäre doof, wenn ich das nicht ausnutzen würde.
    „Scheiße! Das tut weh!“, flucht sie und reißt sich die Maske vom Kopf. „Warum kannst du das so gut?“
    „Ich habe die Drei Musketiere dreimal im Kino gesehen“, antworte ich.
    „Das liegt nur daran, dass du das Schwert hast und ich nur so einen lausigen Ast. Wir tauschen!“
    „Meinetwegen“, erwidere ich möglichst gleichgültig.
    Dabei bin ich heilfroh, meine Jacke und die Maske wieder zu kriegen. Wir Fechter sind da etwas heikel, vor allem was unsere Masken angeht. Die verleihen wir nur höchst ungern, auch weil sie, ehrlich gesagt, ein wenig stinken wegen dem ganzen Schweiß und so.
    Ich ziehe mir meine Sachen an, die mir – Überraschung, Überraschung – genau passen. Dann gehe ich wieder in Grundstellung. Mel versucht, mich mit dem Florett zu treffen. Aber das gelingt ihr nicht. Ich kann sie ganz leicht mit dem Stock abwehren und das macht sie immer wütender.
    „Okay, du hast es nicht anders gewollt!“, ruft sie und zieht mit der linken Hand eine Pistole aus ihrer Hosentasche. „Hände hoch!“
    „Wo hast du die denn her?“, frage ich verblüfft.
    „Aus dem Badezimmer“, antwortet Mel und da erkenne ich das Ding.
    Die Pistole ist aus Seife und ein Geschenk, das mir mein Vater mal von einer Geschäftsreise mitgebracht hat. Er bekam damals schrecklichen Ärger am Flughafen. Er hat sie im Handgepäck gehabt, ohne sich etwas dabei zu denken. Drei Polizisten haben ihn in die Mangel genommen. Sie glaubten ernsthaft, er wollte damit den Flieger kidnappen. Dabei kann man die Seife auf hundert Meter riechen.
    „Cool, oder?“, fragt Mel und visiert mit der Pistole eine Krähe an, die auf einem der Bäume hockt. Mit dem Florett in der einen und der Pistole in der anderen Hand sieht sie aus wie eine echte Piratenkönigin.
    Aber das bemerke ich nur aus den Augenwinkeln. Meine Aufmerksamkeit wird von etwas

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