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Nordseefluch: Kriminalroman

Nordseefluch: Kriminalroman

Titel: Nordseefluch: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor J. Reisdorf
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geöffnet«, antwortete ich und zog den weißen Umschlag aus meiner Tasche, denn ich hatte meine Wetterjacke anbehalten.
    »Menschenskind, Herr Färber, haben Sie Nerven!«, warf der Kommissar ein.
    Dem war nicht so, denn meine Hände zitterten und das Papier des Umschlags klebte an meinen verschwitzten Fingern.
    Ich riss den Umschlag auf. Umständlich entfaltete ich die Blätter. Auf dem weißen Untergrund des linierten Papiers erkannte ich die steile Handschrift meines Kollegen.
    Ich las laut vor.
    »Lieber Jupp, gestatte mir das vertraute Du. Ich hätte Dich während der schwersten und letzten Stunden meines nicht immer gradlinig verlaufenen Lebens gern um mich gehabt. Sicher wäre es Dir gelungen, mich von meinem Entschluss abzubringen. Ich habe lange gezögert und dann doch auf ein Telefongespräch verzichtet.«
    Ich unterbrach an dieser Stelle das Lesen, zog meinen Arm über meine Stirn und wischte mir mit dem Ärmel den Schweiß ab. Dann las ich weiter.
    »Du wirst irgendwann erfahren, dass eine unglückliche Liebe meinen Werdegang beeinflusst hat und ich der Vater einer Tochter war, aber nie Vater sein durfte. Die Frau, die mich verließ, war eine Schönheit, für die Äußerlichkeiten wichtiger waren als innere Werte. Sie wurde nicht meine Frau. Sie verkehrte lieber mit der sogenannten Hautevolee der Stadt Oldenburg, einer von mir verachteten Gruppe neurotischer Selbstdarsteller, die meinte, der Nabel der Welt zu sein. Mit denen wollte ich nichts zu tun haben. Jupp, das klingt bitter, ist aber ehrlich. Meine Schafe werden traurig sein! Auch ich war nie etwas anderes als ein Schaf. Aber ein schwarzes.«
    Ich musste erneut das Lesen unterbrechen. Der Schweiß lief mir in die Augen.
    »So kannte ihn keiner von uns«, äußerte ich mich, als müsse ich Stinga entschuldigen.
    »Ihr Kollege zieht mächtig vom Leder«, sagte der Kommissar. Er langte nach einer Bierflasche und richtete nervös mit Daumen und Zeigefinger seinen Schnurrbart. Heiko Ekinger rauchte und wartete skeptisch auf die Fortsetzung.
    Ich las weiter.
    »Auch Gott liebt Schafe. Er ist ein guter Hirte. Ihm vertraue ich mich an. Er muss viel Verständnis aufbringen, wenn das Schaf blökend vor ihm steht. Aber nichts bringt mich ab von meinem Vorhaben, Jupp, auch Du nicht. Ich lege den Brief in mein Fach und sage Dir und der Schule Ade. Dann soll er geschehen, mein zweiter Mord. Dieser ist absichtlich, denn ich bringe mich um. Mörder und Opfer sind eine Person! Doch beim ersten Mord war ich der Täter und das Opfer ein Mörder!
    Jupp, es klingt verworren. So war es auch. Ich kann nicht weiterleben, junge Menschen die Notwendigkeit zivilisierter Ordnung lehren, in unschuldige Kindergesichter blicken, mit dem Zeichen des Satans auf der Stirn!
    Der Geburtstag meiner Tochter stand bevor. Sie wusste nichts von meiner Existenz. Schicksalhaft und magisch war es die Zahl Dreizehn. Sie hatte das dreizehnte Lebensjahr vollendet und ihr Geburtstag veranlasste mich, einen brüchigen Frieden aufzugeben und meine Tochter aufzusuchen, um ihr ein Geschenk zu überreichen. Zwölf Jahre trennten mich von meinem Glück und meiner Enttäuschung. Ein Telefonanruf bei einer Detektei genügte. Entschlossen fuhr ich nach Juist. Ich fand den Strandkorb, den ihre Familie gebucht hatte, und sah, wie sie in eine Kutsche stieg. Ich folgte meiner Tochter, die in der Kutsche saß. Das Gefährt war zu schnell. Es gelang mir nicht, es anzuhalten. Deshalb suchte ich den Weg durch die Dünen und hoffte, Marion hinter dem Flughafen auf dem Weg ins Dorf anzutreffen.
    Ich nahm mir vor, die Kutsche anzuhalten, Marion als Fremder einen Beutel mit alten Münzen zu überreichen und wortlos als Unbekannter davonzugehen. Nie im Leben würde sie den Mann vergessen, der ihr diese Goldtaler geschenkt hatte. Es sollte für sie wie in einem Märchen sein. Doch meine Ortskenntnisse hatten mich verlassen. Von einer Düne aus sah ich die Kutsche, mir blieb fast das Herz stehen. Die Kutsche war leer und das Pferd graste friedlich auf dem Vorgelände. Ich bemerkte einen jungen Mann, der in die Dünen lief, als ich ankam. Es war der Kutscher. Sinnlos rannte ich einige Hundert Meter hinter ihm her, kehrte enttäuscht zurück und suchte nach meiner Tochter.
    Sie konnte unterwegs ausgestiegen sein, beruhigte ich mich und hörte, dass sich jemand näherte.
    Ein Betrunkener torkelte durch die Dünen über den Strandhafer. Er lallte vor sich hin, mied schwankend die stacheligen Zweige der Sanddornsträucher,

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