Notbremse
verwickelt seien – und dass Frau Ringeltaube und eine weitere Person ermordet worden seien und deshalb Ermittlungen angestellt würden. Häberle überlegte, ob er Dieter Hocke die Nachricht vom Tod seines Bruders überbringen sollte.
»Es gibt einiges zu besprechen«, sagte er stattdessen knapp. »Ich weiß, dass Sie morgen zurück sind. Mich würde nur eines interessieren: Welcher Art war denn Ihre Mission in Peking?«
Hocke atmete schwer. »Das können wir doch morgen bereden, oder?«
»In aller Ausführlichkeit, ja«, entgegnete Häberle. »Aber haben Sie bitte Verständnis dafür, dass wir wenigstens der Spur nach wissen sollten, was mit Ihnen geschehen ist.«
»Ich bin als Tourist hier – eigentlich«, räumte Hocke ein. »Ich war aber im Auftrag von Herrn Lambert, oder besser gesagt, insbesondere für Herrn Lambert unterwegs, um die Kontaktmänner für die Dopinggeschäfte des Herrn Rieder und des Herrn Horschak ausfindig zu machen.«
»Und das geht so einfach?«
»Einfach nicht, das können Sie sich denken. Ich bin auch ganz gewaltig in Schwierigkeiten geraten. Denn man hat mich enttarnt, wenn ich das mal so sagen kann.«
»Enttarnt? Und dann?«, zeigte sich Häberle interessiert.
»Na ja …« Hocke gab sich zurückhaltend. »Es war ganz schön brenzlig. Doch offenbar waren diese Hintermänner zu diesem Zeitpunkt auch bereits im Visier der Pekinger Ermittler. Jedenfalls bin ich vorgestern ganz schön zwischen die Fronten geraten.«
»Mutig«, stellte der Chefermittler fest. »Und dann?«
»Nachdem ich die Polizei hier davon überzeugen konnte, dass ich eigentlich dasselbe wollte wie sie, hat sich die Sache langsam aufgeklärt.«
»Man lässt Sie also wieder ausreisen?«, wollte Häberle konkret wissen.
»Natürlich, mit allen Ehren«, kam es zurück. »Schließlich hab ich dazu beigetragen, dass dieser ganze Dopingsumpf noch rechtzeitig vor der Olympiade aufgeflogen ist.« Hocke legte eine Pause ein, um dann hinzuzufügen: »Ist eigentlich mein Bruder Friedrich auch greifbar?«
Häberles Mund wurde trocken. Mit dieser Frage hatte er nicht gerechnet. »Ihr Bruder«, begann er langsam, »nein, er ist nicht hier. Ich hab Ihnen bereits angedeutet, dass turbulente Dinge geschehen sind. Und eigentlich … ja Herr Hocke, es ist schrecklich, Ihnen das jetzt am Telefon sagen zu müssen … aber Ihr Bruder ist der Auslöser von alldem …« Häberle atmete zweimal tief durch. »Er wurde erschossen. Es tut mir leid. Mein herzliches Beileid.«
Die Leitung blieb für einige Sekunden still. »Er ist … was? Tot?« Hocke schien fassungslos zu sein.
»Wir haben den Täter festgenommen«, versuchte Häberle zu beruhigen. »Das mag zwar Genugtuung sein, ist aber kein Trost.«
Als Häberle und Linkohr am späten Sonntagnachmittag wieder bei der Geislinger Sonderkommission eintrafen, war die Stimmung in den schwülen Räumen gedrückt. Die Kriminalisten hatte das Gefühl beschlichen, zwar einen Fall geklärt, aber den Tod eines weiteren Menschen trotzdem nicht verhindert zu haben. Der Chefermittler spürte dies und versuchte, seine Kollegen aufzumuntern. »Wir haben tief in den Sumpf reingestochen«, stellte er fest und lehnte sich an den Türrahmen, während sich im Lehrsaal über ein Dutzend Kriminalisten zwischen den mit Akten beladenen Schreibtischen versammelten. »Vermutlich können wir uns wirklich nicht vorstellen, was in der großen weiten Welt alles so abgeht. Ich befürchte, dass uns die verschlungenen Wege Richtung China letztendlich verborgen bleiben. Jedenfalls sieht es ganz danach aus, als ob auch in Peking jemand dank der Hocke-Brüder eine Art Notbremse gezogen hat, wenn ich das mal so sagen darf.«
Ein älterer Kollege, der mit verschränkten Armen am Sims eines offenen Fensters lehnte, griff diese Bemerkung auf: »Notbremse dahin gehend, dass der Olympiade ein Dopingskandal größeren Ausmaßes erspart bleibt, meinen Sie das?«
Häberle nickte. »Ja, dieser Detektiv, den dieser Lambert beauftragt hat, war den Dopinglieferungen offenbar dicht auf der Spur. Ein gefährlicher Auftrag.«
»Und wie ist das dort ausgegangen?«, wollte der Kollege wissen.
»Hocke landet heut Abend in München. Wir werden ihn morgen dazu befragen.«
»Aber unser Fall hat, wenn man es genau nimmt, mit dieser Dopingsache gar nichts zu tun gehabt«, vergewisserte sich ein junger Kriminalist, der sich in einen Bürosessel gelümmelt hatte.
»So könnte man es ausdrücken«, bestätigte Häberle und griff nach
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