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Notbremse

Notbremse

Titel: Notbremse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Bomm
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Überlegenheit.
    »Entschuldige«, lächelte sie geradezu provozierend. »Aber es ist doch …«
    »Quatsch doch nicht schon wieder rum«, unterbrach sie der Mann, der die Enttäuschung bis heute nicht überwunden hatte. »Wenn du Computer nicht beherrschst, dann lass es dir verdammt noch mal von einem Lehrmädchen zeigen.« Noch vor drei Monaten hätte er so nicht mit ihr gesprochen. Doch von Tag zu Tag, so schien es ihr, verlor er seine Beherrschung immer mehr. Und je stärker sie sich gab, desto zorniger konnte er werden. Sie sah ihn provokant an. Er versuchte, ihren Blicken standzuhalten, und verzog das Gesicht zu einem mitleidigen Lächeln. »Jedes Lehrmädchen«, presste er hervor, »jedes Lehrmädchen beherrscht die Kiste besser als du.« Während er sich wieder abwandte, um in seiner lichtdurchfluteten Chefresidenz zu verschwinden, fügte er noch betont sachlich hinzu. »Aber wahrscheinlich bist du für derlei Tätigkeiten schon zu alt.« Dann fiel die Tür ins Schloss.
    Sylvia Ringeltaube blieb noch für einen Moment sitzen und starrte die schallisolierte Tür an. Idiot, dachte sie. Du Dreckskerl, du verdammtes Schwein. Weil ich nicht mehr dein Lustobjekt sein will, benimmst du dich wie ein niveauloser Depp. Sollte er sie doch erniedrigen und mobben. Inzwischen war sie täglich aufs Neue gespannt, welche Gemeinheiten ihm wieder einfielen. Sie verfolgte mit Interesse seine cholerischen Anfälle. Wahrscheinlich, so mutmaßte sie, hatte er daheim nichts zu sagen. Ein Pantoffelheld, der sich nur im Geschäft im Schutze seiner beruflichen Autorität austoben konnte. Wie konnte ein Mensch nur so mit seinen Mitarbeitern umspringen? War das die neue Realität in diesem Land? Heuern und feuern, wie sie es einmal als Zitat von einem Gewerkschaftsfunktionär gelesen hatte. Mittlerweile hatte sie damit begonnen, seine Äußerungen zu notieren. Immer häufiger aber keimte der Wunsch auf, ihm das Telefon an den Schädel zu werfen. Oder besser: aufzustehen, ihm eine Ohrfeige zu verpassen und ins Gesicht zu schreien, welch widerlicher Typ er doch sei. Einer, der über Leichen ging. Einer, der mit den übelsten Tricks die Konkurrenz ausspielte. Der nicht vor Bestechung und Korruption zurückschreckte. Der vermutlich längst vor Gericht stehen würde, hätte er nicht phänomenale Kontakte zu den Funktionären der regierenden Partei im Lande. Aber selbst wenn man ihn jemals vor den Kadi zerren würde, konnte er sich sicher sein, mit Samthandschuhen angefasst zu werden. Beispiele dafür gab es ja genügend: Peter Hartz, der einstige VW-Personalvorstand, oder Josef Ackermann, Chef der Deutschen Bank. Beide hatten sie mit dem Gericht einen sogenannten Deal gemacht, wie er durchaus erlaubt war, um den Juristen monate- oder jahrelange Beweisaufnahmen zu ersparen. Einem schnellen Geständnis folgte ein schneller Prozess. Der eine kam mit Bewährung und einer Geldbuße davon, der andere durfte sich über die Einstellung seines Verfahrens freuen. Was sie an Bußgeldern bezahlen mussten, konnten sie gewiss ihrer Portokasse entnehmen. Peanuts eben. Sylvia verspürte unbändigen Zorn und eine grenzenlose Wut in sich, wenn sie an solche Vorgänge dachte. Das Maß war voll. Während sie sich wieder ihrem Computer zuwandte, fiel ihr langes blondes Haar über die Rückenlehne des blauen Schreibtischstuhls. Dieser Schweinehund würde sie schon noch kennenlernen. Jeder wusste, wer Konstantin Rieder war: ein angeblich erfolgreicher Manager, der den Small Talk beherrschte wie kein anderer, der sich auf Partys und Empfängen als großer Charmeur aufspielte. Sie hatte es selbst erlebt, ein halbes Jahr lang. Doch dieser Rieder hatte zwei Gesichter. Wie blöd musste sie gewesen sein, auf ihn hereinzufallen. Ihm hörig zu sein. Mit Geld hatte er sie gelockt, mit Versprechungen. Aber in Wirklichkeit war sie nur ein Abenteuer. Seine Selbstbestätigung. Nie im Leben hätte er sich von seiner Frau getrennt. Niemals einen Skandal riskiert – oder gar das gut situierte familiäre Umfeld.
    Seit Sylvia dies erkannt hatte, war ihr klar, dass sie nicht länger Chefsekretärin sein konnte. In Situationen wie der jetzigen verspürte sie eine innere Genugtuung, dass die Suche nach einer neuen Stelle erfolgreich gewesen war. Allerdings nicht so, wie sie es sich vorgestellt hatte. Aber dafür nicht minder angenehm. Seit ihr eine neue Perspektive geboten war, wog sie sich in Sicherheit. Und dieser Kerl, der sich als der große Zampano aufspielte, würde jämmerlich

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