Nox Eterna - Die ewige Nacht der Anne Oxter
Finsternis.
25. Oktober 2009
Nox und das Reich Nethernox fanden ein abruptes Ende, als Annes Wecker klingelte. Es gelang ihr kaum, aufzuwachen, für Minuten versuchte sie vergeblich, den Tag zu beginnen, wie sie bisher jeden Tag begonnen hatte. Zu wirklich war dieser Traum gewesen, zu deutlich hatte sie gedacht und gefühlt, was Nox Eterna dachte und empfand. Sie fühlte sich, als sei sie nur halb aufgewacht, taumelte wie in Zeitlupe durch eine künstliche Welt, die ihrer eigenen Realität zwar ähnlich war, aber sich doch in vielen Punkten anders, unwirklich anfühlte. Sie stieg unter die Dusche, Wassertropfen schwebten viel zu langsam herab. Ihre Kühle weckte sie endlich. Halbwegs klar, wusch sie sich die Haare, schüttelte ihren Schopf, als könnte sie die nächtlichen Gedanken dadurch in alle Winde verstreuen. Ihr Verstand half mit: Logisch, weißes Frettchen, schwarzes Frettchen, klar, ihre letzten Gedanken des Tages hatten sich in den Traum hinüber gerettet und waren dort in veränderter Form Wirklichkeit geworden wie das Schloss Leeds gleich neben Maidstone zur Burg Nethernox geworden war. Genauso konnte sie sich die Verwandlung ihrer Person, ihre Rolle im Traum erklären. Sie hatte einfach zu lange über diese beiden seltsamen Worte nachgedacht.
Anne goss gerade Milch über ihre Cornflakes, als das Telefon klingelte. Ihre Mutter nahm ab, der Anruf kam von Annes Schule.
„Die ersten beiden Unterrichtsstunden fallen aus“, sagte sie. „Dein Deutschlehrer hat heute Nacht starke Sehstörungen bekommen und hat sich zur Augenklinik bringen lassen. Sehr bedauerlich … Du kannst also in Ruhe frühstücken.“
Ruhe? Anne stockte fast der Atem. Magie oder Zufall? Konnte so etwas ein Zufall sein? Eben noch wollte sie mit ihrer Mutter über Nox Eterna und die merkwürdige Übereinstimmung mit ihrem Namen und ihren Traum in der letzten Nacht reden - jetzt schwieg sie lieber, denn sie spürte Schuldgefühle aufsteigen …
Es klingelte an der Haustür. Alan Gennes brachte wie fast jeden Morgen die Zeitung. Er wohnte drüben in Downswood, war vor ein paar Monaten dorthin gezogen, ging aber nicht in Annes Schule. Dennoch stand er jeden Morgen um 7:00 Uhr auf, stieg auf seinen uralten Roller und fuhr rüber zu Anne. Wieder einmal hatte er den Zeitungsboten abgefangen, damit er einen Grund hatte, Anne noch vor der Schule zu sehen. Er überreichte ihr die Zeitung wie ein Geschenk.
„Hi! Nichts Neues in Maidstone!“
Anne wusste, dass er ein heimlicher Verehrer war, obwohl sie ihm dazu keinen Anlass gab, und während sie gerade daran zweifelte, ob sie ihren Deutschlehrer um das Augenlicht gebracht haben könnte, stand Alan mit seinem breiten, naiven Grinsen in der Haustür, den Helm unter einen Arm geklemmt und hielt ihr mit dem anderen die Zeitung entgegen.
„Er ist entweder ein naiver Trottel oder ein Engel!“ hatte Annes Vater einmal gesagt. „So ein Grinsen bedeutet entweder totale Einfalt oder göttliche Erleuchtung.“
„Was macht dieser Alan Gennes eigentlich?“ fragte Annes Mutter.
„Dem Namen nach stammt seine Familie aus Frankreich …“ erklärte Annes Vater, dessen zweites Hobby neben dem Wissen über torfige, rauchige, holzige oder fruchtige Geschmacksvarianten beim Whisky die Genealogie war. „Dort gibt es einen Ort an der Loire, der so heißt.“
„Alan?“ Miriam Oxter schaute erstaunt. Ihr Ehemann seufzte.
„Nein, Gennes, meine Liebe, Gennes, Maine-et-Loire! Und ich muss los.“
Anne hatte zu all diesen Fragen keine Meinung. Er war einfach Alan für sie, der immer da war. Den sie manchmal als Chauffeur missbrauchte. Ihr wurde klar, dass sie ziemlich wenig über ihn wusste. „Ich werde ihn fragen!“
Sie nahm die Zeitung, „Maidstone News“, stopfte sie in die Altpapiertüte, weil sie vermutlich ohnehin wieder keiner lesen würde, sie jedenfalls nicht. Sie griff sich ihren Rucksack und lief aus dem Haus, frühstückte auf dem Schulweg, scherzte mit Alan und ihrer Freundin Cecilia Paxton, die sie unterwegs wie jeden Morgen trafen, ein schlankes Mädchen mit roten Haaren und wasserhellen blauen Augen, das sich kleidete und schminkte, als sei jeden Tag Halloween. Jeder nannte sie Silly, weil sie ziemlich silly war, was sie an diesem Morgen bewies, als sie Pfarrer Liffles Katze begrüßte.
„Guten Morgen, Eure Heiligkeit!“
Nun begann sie mit einem spontan Vortrag über die Katzen von Priestern und deren Verhältnis
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