Nr. 799 (German Edition)
aus Holz bestünden. Doch als ich näher trat, entdeckte ich, dass es nur braun lackierte Fliesen waren. Das traf auch auf den Boden zu.
Ich schüttelte ratlos den Kopf. Was war das hier für ein Ort?
Von der Glasdecke baumelten klitzekleine Glühbirnen, die mit Sicherheit die Sterne am Nachthimmel darstellen sollten.
»Sie sind schon fertig?«, hörte ich plötzlich eine piepsige Stimme hinter meinem Rücken.
Ich fuhr herum und sah eine lächelnde Märchenprinzessin.
»Was für’n Scheiß«, stieß ich entsetzt aus. Was war das denn für eine? Hatte sie sich auf dem Weg zum Kindergeburtstag verlaufen?
Ihre übertrieben langen – und übertrieben pinken – Haare reichten bis zu ihren nackten Fußknöcheln. Auf ihrem Hinterkopf thronte ein Plastikdiadem mit angemalten Steinchen. Und ihre glitzernden Wimpern wirkten so abscheulich unecht, dass ich fast schon würgen musste. Ich fange lieber nicht von ihrem Kleid an. Kitschig hoch Nummer Millionen.
Trotz meiner – zugegebenermaßen – unfreundlichen Begrüßung, wich ihr das engelsgleiche Lächeln nicht von den Lippen. »Sie – sind – schon – fertig?«, wiederholte sie diesmal so langsam, als ob sie es mit einer Minderbemittelten zu tun hätte. »Waren – Sie – beim – Doktor – kurz – Aurelian – P.?«
»Nö«, log ich genervt. »Und nu’?«
»Sind – Sie – sich – sicher? Normalerweise –«
Ich unterbrach sie, ehe wir – dank ihrer Sprechweise – noch eine Ewigkeit hier herumstanden: »Natürlich war ich bei Doktor – lang – Aurelian P.«
Erleichtert nickte sie und – was sonst? – lächelte. »Sehr schön. Begleiten Sie mich dann bitte zum Aufzug, der Sie in Ihre einstweilige Unterkunft befördern wird.«
Am liebsten hätte ich der Märchenprinzessin gesagt, dass ich ihr nirgendwohin folgen würde. Nicht ins Wunderland. Nir-gend-wo-hin. Stattdessen rief ich ein müdes: »Ja! Zeig mir den Aufzug!«
Mein Albtraum nahm offenbar – mit dieser Halle und dieser Märchenprinzessin – immer schlimmere Züge an. Hoffentlich nahm mir mein Gehirn nicht übel, dass ich es so respektlos behandelte.
Doch die Märchenprinzessin lächelte weiter, als hätte ich sie gerade nicht angeblafft.
»Nehmen – Sie – meine – Hand «, sagte sie dann.
Stille.
Ich starrte sie perplex an – ihre Hände, die in Samthandschuhen steckten, die laut Doktor Aurelian P. dieser gewisse Alfi trug. Violette Samthandschuhe mit einem weißen Schleifchen.
»Nein, danke«, nuschelte ich.
»Kommen – Sie – schon. Sonst – finden – Sie – den – Weg – zum – Aufzug – nicht.«
»Alfi?«, fragte ich ängstlich.
Sie zog überrascht ihre Augenbrauen hoch. »Ich – verstehe – nicht.« Und dann schlug sie sich sachte gegen die Stirn und lachte glockenhell. »Ich – habe – mich – nicht – vorgestellt. Natürlich. Zu – Ihren – Diensten, Nummer – Vierhundertzweiundfünfzig, kurz – genannt – Fiona – Z.« Wieder hielt sie mir ihre Hand hin, diesmal ungeduldiger. »Nun – kommen – Sie – schon.«
Ich schüttelte fassungslos den Kopf und begab meine Hand in die Gefangenschaft ihrer Samthandschuhe. Lächelnd zog sie mich mit sich und fragte: »Und Ihr Name ist?«
»Kein Plan. Hanna oder so«, murmelte ich.
Wir durchquerten die Halle in nur wenigen Schritten, obwohl die Märchenprinzessin so seltsam trippelte, als würde sie auf Glasscherben laufen. Dann standen wir vor einer – ganz einfachen – Wand und warteten.
»Ähm, sind wir hier richtig?« Ich scharrte mit den Füßen, misstrauisch.
»Jaja!«, sang Fiona Z.
Plötzlich drückte sie fester zu, zerquetschte meine Finger in ihrer Samtfaust.
»Hey!«, beschwerte ich mich und zog an meiner Hand, um sie zurück zu bekommen.
Fiona Z.s Lächeln verzerrte sich, während sie meine Hand noch hartnäckiger umklammerte. Ihr Plastikkrönchen rutschte ihr in die Stirn. »Gleich! Gleich!«, rief sie. Ihre Stimme sprang dabei mehrere Oktaven höher. Ich hätte nicht gedacht, dass das möglich war.
»Was gleich?!«, brüllte ich sie an.
Im nächsten Moment schien ein Beben durch die Erde zu gehen. Die ganze Halle wurde durchgerüttelt. Die Marmorsonne schaukelte von einer Ecke in die andere, das Wasser der Fontäne schwappte über auf den Fliesenboden. Die Glühbirnen drehten sich. Alles drehte sich, bis es auf dem Kopf stand.
Das Glasdach befand sich plötzlich unter meinen Füßen. Mit seiner blauen Plane und seinen grünen Plastikblättern. Und von der Decke floss das Wasser
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