Nr. 799 (German Edition)
Winnetou oder E.T. nennen können. Das spielte für mich keine Rolle mehr.
»Sie erinnern sich – natürlich – nicht.« Er spazierte zu der Liege und stützte sich mit einer Hand darauf ab. »Wo glauben Sie, sind Sie hier gelandet? In einem A–«
»Albtraum«, unterbrach ich ihn und nickte heftig. »Klar. Wo auch sonst? Das ist ganz sicher nicht die Hölle«, bezog ich mich auf seine Begrüßung. In der Hölle gab es schließlich Feuer. Und den Teufel. Richtig? Ich glaubte jedoch nicht, dass ich in meinem früheren Leben – ach, Mist, jetzt fing ich auch schon an daran zu glauben, dass ich tot war – religiös gewesen war.
Doktor Aurelian P. begann leise zu lachen. »Hach, ja, die Neuankömmlinge.« Seine Augen hefteten sich wieder auf mich. »Sie glauben wirklich, Sie stecken in einem Albtraum fest, richtig? Wissen Sie was, ich kann Psychoscheißer auch nicht ausstehen, insbesondere den hirnverbrannten Alfi, aber vielleicht sollte ich doch einen Termin mit ihm vereinbaren. Für Sie natürlich.« Er fuhr sich mit seiner linken Hand über den Dreitagebart. Immer wieder. Mit einem leicht überheblichen Grinsen auf den Lippen. »Alfi klärt Sie mit Samthandschuhen auf. Er ist unsere Ballerina. Ein absolut feinfühliger Überführer. Wahrscheinlich wird er sogar selbst Tränen in den Augen haben, wenn er mit Ihnen spricht. So ist er nun mal.« Er schmunzelte über seine eigenen Worte. »Eigentlich müsste ich Sie jetzt untersuchen. Aber Sie haben wahrscheinlich schon gemerkt, dass unser Boss Sie bereits einer eingängigen Prüfung unterzogen hat. Mit den neuen Komiteemitgliedern, die sich noch in der Assistenzphase befinden.«
Sprach er von diesen seltsamen Gestalten am Anfang? Deren Prüfung hatte ich – zu meinem Bedauern – allzu gut mitbekommen. Also nickte ich einfach mal.
»Na ja. Und wenn Sie wollen, können Sie sich wieder ausziehen und mich überprüfen lassen, ob mit Ihnen alles in Ordnung ist. Aber ich glaube, dass Sie für heute genug durchgemacht haben, oder? Wir sehen uns sowieso bald wieder, zu den anstehenden Komplett-Innen-und-Außen-Überprüfungen. Also?« Mit seinen Fingern trommelte er auf das glänzende Metall der Liege.
»Ich verzichte auf eine weitere Untersuchung«, wisperte ich dankbar.
Flüchtig lächelte Doktor Aurelian P. mich an und hastete anschließend zu seinem Pult. Er vermerkte in rapider Geschwindigkeit etwas in meiner Akte. Dann nickte er mir zu und wies auf die Tür. »Sie dürfen jetzt gehen, Hanna.«
Verwirrt warf ich einen Blick zurück und fragte mich, ob dieses ganze Theater vielleicht doch eine Art Untersuchung gewesen war. Hatte er mich irgendwie getestet? Ob ich so wie alle anderen Neuankömmlinge reagierte? Und was hatten die Maschinen für eine Funktion?
So viele Fragen lagen mir auf der Zunge, doch ich traute mich nicht, sie zu stellen. Doktor Aurelian P. vergrub seinen Kopf in den nächsten Aktenordner und markierte fleißig weiter. Nummer Achthundert würde offenbar bald eintreffen. Als ich einen Schritt in Richtung Tür tat, schaute er kurz wieder auf und rief: »Ach ja, Hanna. Sie haben mir mit Ihrer Anmerkung über Psychologen wirklich den Tag gerettet. Mir geht es nicht am Allerwertesten vorbei, dass Sie hier sind. Ein klein wenig bin ich nun froh darüber.«
»Äh, ja. Danke –« Bevor er mir noch eine Liebeserklärung an den Kopf schmeißen konnte, stürmte ich aus dem Untersuchungszimmer.
Ich erwartete wieder in dem ersten Raum zu landen, in dem mich Fräulein Ingrid W. begrüßt hatte. Stattdessen betrat ich einen weitläufigen, grell beleuchteten Korridor, von dem mehrere Türen abgingen. Messingschilder, auf denen Pfeile eingraviert waren, wiesen den Weg.
Ich folgte ihnen mit torkelnden Schritten. Sie führten mich in eine Halle, in deren Mitte eine sprudelnde Fontäne stand. Der Architekt – Nummer Wasweißich – schien sie als eine Art gigantische Sonne konstruiert zu haben: Zwischendrin hing eine Marmorkugel, getragen von unzähligen goldenen Fäden, die an Sonnenstrahlen erinnerten. Gleichzeitig verstärkte das fliegende Wasser diesen Eindruck.
Die Decke der Halle bestand aus Glas. Draußen entdeckte ich einen Himmel, der – Moment mal, der war gar nicht echt! Ich kniff meine Augen zusammen, um besser sehen zu können, was das da draußen war. War das eine blaue Plane? Und grüne Plastikblätter, die den Anschein erwecken sollten, dass man sich in freier Natur befand? Nicht gerade gut umgesetzt.
Die Wände sahen so aus, als ob sie
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