Nuancen der Lust (German Edition)
hatte, und darüberhinaus selbst Designerin einer kleinen aber feinen Dessousmarke.
Beim Studio handelte es sich um einen einzelnen, etwa vierzig Quadratmeter großen Raum in einem umgebauten Fabrikgebäude, mit Kochnische und Nasszelle. Die meisten der anderen Räume wurden von kleinen Firmen genutzt und nach Ladenschluss verlassen. Dann war es in dem riesigen Areal zum Fürchten, so einsam fühlte man sich darin. Andererseits musste man sich nicht sorgen, durch ungewöhnliche Geräusche auf sich aufmerksam zu machen.
Die Studiotür war nur angelehnt, Steffen wurde bereits erwartet. Marvin nickte ihm verschwörerisch zu und ließ den Freund vorausgehen. Es war nicht zu übersehen, dass er nervös und angespannt war. Sein Lächeln wirkte aufgesetzt und unter seinem rechten Auge zuckte ein Nerv.
Warum hast du dir nicht einen anderen Nebenjob gesucht oder mich um Hilfe gebeten
, dachte Marvin.
»Hi, da bist du ja.« Die Frauenstimme klang angenehm und weniger streng, als Marvin aufgrund von Steffens Beschreibung vermutet hatte.
»Möchtest du ein Glas Wein, Liebster?«
»Vielleicht später. Zuerst werde ich dich dafür bestrafen, dass du mich gestern angerufen hast.« Steffen hielt sich exakt an den abgesprochenen Text. Allerdings klang es sehr einstudiert. Ein Klaps auf nackter Haut war zu hören. »Heute werde ich keine Gnade kennen. Es wird Zeit, dir zu zeigen, wer hier das Sagen hat. Stell dich ans Kreuz!«
Lag ein Zittern in seiner Stimme? Es war schlichtweg lächerlich, sich Steffen als Dom vorzustellen. Seine anderen Kundinnen wollten nur normalen Sex, hatte er erzählt. Was man landläufig unter normal verstand. Blümchensex. Manche wollten nicht einmal mit ihm schlafen, sondern waren wohl einfach nur so einsam, dass sie jemanden
buchten
, der Zeit hatte, sich mit ihnen zu unterhalten. Und diese Eva wollte nach seiner Aussage hart rangenommen und verprügelt werden.
Er hatte doch tatsächlich »verprügelt« gesagt
. Bei dem Gedanken daran schüttelte sich Marvin innerlich. Alleine das hatte ihn schon sehr nachdenklich gestimmt. Irgendetwas lief da vollkommen schief.
Vorsichtig spähte er um die Ecke. Seit ein paar Stunden schwirrte eine Idee in seinem Kopf herum, wie er Steffen helfen könnte. Doch dazu musste er sich erst einmal ein Bild von der Situation machen. Und von der Frau.
Noch war Steffen damit beschäftigt, Eva ans Andreaskreuz zu fesseln. Marvin hörte, wie er Befehle murmelte. Der ganzen Aktion fehlte vollkommen die prickelnde Stimmung, um sie für das
Opfer
zu einem erfüllenden Erlebnis zu machen. Warum gab sich die Kundin damit zufrieden? Hatte sie keinen anderen gefunden, der ihr Verlangen besser befriedigte?
Erst als Eva eine blickdichte Augenmaske trug, schlich Marvin sich in den Raum. Vorsichtig stellte er seine Schuhe ab und legte seine Jackeüber einen Stuhl, darauf bedacht, durch keinerlei Geräusche auf sich aufmerksam zu machen. Dann sah er Eva und war angenehm überrascht. Sie war schöner, als Steffen sie beschrieben hatte. Keine magere Hungerharke, aber auch nicht zu dick. Einfach mit fraulichen Rundungen an den richtigen Stellen und einem wohlgeformten Busen, der sein Herz höher schlagen ließ. Ihre braunen Locken fielen bis auf ihre Schultern herab. Im selben Augenblick war ihm klar, er musste ihr helfen, zumal ihre gesamte Körperhaltung Anspannung verriet. Sie suchte eine Befriedigung, die sie von Steffen niemals erhalten würde.
Während Marvin leise näher ging, schaute er sich im Raum um.
Wände und Decke waren pechschwarz gestrichen und wirkten erdrückend, obwohl der quadratische Raum eigentlich recht groß war. Die einzigen Akzente waren ein leuchtend rot lackierter Türrahmen und rote Vorhänge vor den hohen Industriefenstern. Aus der abgehängten Decke warfen Spots in gleichmäßigen Abständen mit kaltem Licht runde Punkte auf den Fußboden aus schwarzem Linoleum, der seine Schritte dämpfte. Für seinen Geschmack war es überflüssig, eine derart finstere, kühle Gestaltung zu wählen. Sollte der Eindruck einer Folterkammer entstehen? Dann hätte er allerdings noch einen Käfig und eine Schandgeige aufgebaut.
Ein Drittel des Raumes wurde durch eine Sitzecke mit Sesseln und einem roten Kunstledersofa, ein Sideboard aus schwarzem Klavierlack sowie durch eine Stereoanlage eingenommen. An den Wänden darüber hingen großformatige Schwarzweißfotos von Akten. Nichts besonderes, einfach nur eine Dekoration, um die Wandflächen zu gliedern.
Der größere Teil
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