Nudeldicke Deern
Gefallen gefunden, von einem Stand zum nächsten zu gehen und vor mich hinzumurmeln: «5,40? Da geht noch was.»
Beim schönsten Tomatenstand erstehen wir fünf verschiedene Sorten und bekommen von der Verkäuferin den Tipp, beim Draußensitzen eine Zitrone mit Nelken zu spicken, das hielte die Wespen ab. Beim hamburgisch gefärbten Italiener kaufen wir die Nektarinen, die der Mann auf Anhieb aufs Gramm genau abwiegt. Trinkgeld galore. Am Fischstand (noch ein unbeschriebenes Blatt bis auf Fischstäbchen, Pangasiusfilet und Fischmac) lerne ich, wie man frischen Fisch erkennt: Die Augen sollten klar sein, die Kiemen rosig, beim Druck mit dem Finger sollte das Fleisch wieder in die Ausgangsposition zurückkehren, und nicht zuletzt sollte es nicht so fies nach Fisch riechen. Ist mir sehr recht.
Eine Verkäuferin hat statt eines meterbreiten Standes nur einen kleinen Tisch vor sich, auf dem sie zwei Sorten Olivenöl aus dem italienischen Familienbetrieb verkauft. Ich probiere zum ersten Mal auf einem Markt etwas, nämlich zwei Sorten Öl mit kleinen Weißbrotstückchen. Und ich merke zum ersten Mal, wie unterschiedlich Öl schmecken kann. Ich entscheide mich für die mildere Variante, die nicht ganz so scharf hinten im Rachen ist, wir kaufen noch zwei frisch geschlachtete Hühnchen, und so bepackt treten wir den Rückweg zur Homebase an – nur um zehn Minuten später wieder aufzubrechen. Diesmal in die Innenstadt, um einen Mörser zu kaufen.
Der Tag war fast schon rum, als wir endlich Zeit für das Abendessen hatten. Die zwei Hühnchen werden aus der Folie gewickelt, ich entferne das Gummi, das sie zusammenhält und habe das gleiche Gefühl wie gestern beim Lamm: Ich sehe das Tier und nicht mehr nur ein Stück Fleisch, und ich kann mal kurz danke sagen. Jetzt weiß ich auch, warum eine Hühnerbrust so aussieht, wie sie aussieht, weil ich jetzt weiß, wo sie sitzt. (Lus Mantra: Nähe zum Produkt. Nähe zum Produkt.) Die Vögel landen zum Anbraten in heißem Öl, werden mit Milch übergossen, eine Handvoll Salbeiblätter, abgeriebene Zitronenschale und gefühlte 20 Knoblauchzehen dazu, Deckel drauf, ab in den Ofen mit Omas Schmortopf.
Während das Huhn gar wird und mal wieder herrlichster Duft durch unsere Wohnung zieht, mixe ich aus verschiedensten Salzen und Kräutern eine Würzmischung zusammen, die in den nächsten Tagen auf irgendeinem Fisch landen soll. Dann verkosten Lu und ich mehrere Öle, die ich bereits vorrätig habe, sowie das neu erstandene; ein bisschen pur auf eine Untertasse gießen, dran riechen, kurz nippen und dann mit gespitztem Mund Luft einsaugen, sodass sich alles verteilt und auch der Rachen noch was mitkriegt. Ich schmecke pures Olivenöl und finde es großartig, sich so ausführlich und liebevoll mit Essen zu beschäftigen – und kann es kaum fassen, welche Schätze ich in meiner Küche habe.
Der Kerl ist inzwischen auch zu Hause und darf den Mörser einweihen; er produziert aus grobem Meersalz und kleingeschnittenem Rosmarin ein Rosmarinsalz, das er noch durch ein Sieb streicht, um es feiner und haltbarer zu machen. Währenddessen waschen wir eine Runde Kopfsalat und vermischen ihn mit ein bisschen Rucola und Radicchio. Das Dressing besteht aus Zitronensaft, einer Zwiebel, ein paar gelben Tomätchen aus Lus Garten, Olivenöl und – Ahornsirup. Den habe ich bisher nur über Pfannkuchen gekippt, lerne aber jetzt, dass er großartig mit Zitrone zusammenpasst. Trotzdem werden Salat und ich wahrscheinlich wirklich keine Freunde mehr, denn trotz der verschiedenen Geschmäcker, die mir grün und nussig und fein-bitter entgegenkommen, habe ich das Gefühl, einen Haufen Taschentücher zu essen. Ich vermisse Gurken, Tomaten und Paprika.
Das Hähnchen ist gar, Lu zerteilt das erste, ich gucke zu und zerteile dann mit Omas Geflügelschere knackend das zweite. Das Fleisch ist buttrig-zart, die Haut knusprig, und es duftet himmlisch. Zum Essen gibt es heute einen Tempranillo Rosé, der in seiner roten Form laut Lus Weinbuch nach Brombeeren, Tabak und Schokolade schmecken soll. Ich schnuppere, finde keine Brombeere, kann aber auch nicht sagen, was es sonst sein soll, bis Lu meint: «Himbeere.» Logisch. Himbeere. Klar. Ich finde es sehr spannend, Gerüche oder Geschmäcker in der Nase oder im Mund zu haben, sie zu kennen – und doch nicht benennen zu können. Lu vergleicht es mit dem Erlernen einer Fremdsprache, ich fühle mich an den Gesangsunterricht erinnert, wo ich mit
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