Nudeldicke Deern
aber «vernünftig» muss es wirklich nicht sein. Ich weiß inzwischen auch, dass ich bei so ziemlich jedem Einkaufsgang irgendeinen Fehler mache. Wenn ich Sojamilch kaufe, weil ich den Hochleistungskühen eine Pause gönnen will, sorge ich dafür, dass noch mehr Regenwald abgeholzt wird, um Soja anzubauen. Wenn ich in einem Sternerestaurant Gänseleber esse, dann denke ich nicht darüber nach, wie viel Spaß der Gans das gemacht hat, gestopft zu werden. Ich kaufe Lederprodukte und Honig und zerklatsche weiterhin Mücken und Fliegen, die mich nerven, und wenn ich einen Tag lang meinen Kopf komplett ausschalte, esse ich Eier, die keine 0 auf der Schale haben. Ich bin nicht perfekt, und ich werde immer wieder Fehler machen; ich werde Dinge essen oder tun, die der Umwelt nicht gefallen oder irgendwelchen Tieren oder Ökosystemem. Ich kann nicht die ganze Welt retten – ich kann nur versuchen, möglichst bewusst mit ihr umzugehen. Genau so, wie ich mit mir bewusst und gut und freundlich umgehe.
Ich habe vor kurzem ein Buch [164] in die Hände bekommen, das damit wirbt, das Unterbewusstsein zu schulen, damit man Dinge tun kann, die einem sonst schwerfallen. Natürlich ging es dabei um Abnehmen, und eine Übung war, einen Satz zu formulieren, der als Ziel dient. Diesen Satz sollte man sich laut vorsagen und darauf achten, was das Bauchgefühl dazu sagt. Als Beispiel: Man sagt «Ich will abnehmen», und das Bauchgefühl jubelt und freut sich, und schon kann man prima von 1200 Kalorien leben. Ich wollte überprüfen, ob meine Körperakzeptanz nur Show ist, damit ich nicht dauernd schlecht gelaunt bin, und habe diverse Sätze formuliert. Eben: Ich will abnehmen. Ich will leichter werden. Ich will dünner sein. Ich will weniger wiegen. Und bei jedem Satz pöbelte mein Bauch: NEIN , WILL ICH NICHT . Meine Reaktion war bei jedem Satz die Gleiche: ein absolutes Verneinen von jeder Änderung, die ich meinem Körper angeboten habe. Anscheinend findet mein Unterbewusstsein meinen Körper ziemlich okay und verbittet sich jeden Manipulationsversuch. Und das war das Beste, was mir mein Unterbewusstsein sagen konnte.
Ich weiß nicht, ob ich noch weiter abnehme. Vielleicht ja, vielleicht nehme ich auch wieder zu, keine Ahnung. Was ich aber weiß: Ich kann inzwischen essen, was immer ich will, ohne mich dabei mies zu fühlen. Ich teile Essen nicht mehr in richtig und falsch ein, und deswegen darf es auch mal die Supermarkt-Paprika sein, weil ich beim Einkaufen genauso wenig dogmatisch sein will wie beim Verzehren. Es muss nicht alles bio sein, und ich darf auch mal den Pizzabringdienst anrufen, wenn ich das will. Meistens weiß ich nach fünf Bissen, warum ich den Bringdienst so lange nicht angerufen habe, aber das ist ja genau der Witz: Ich
darf
ihn anrufen. Niemand verbietet mir, irgendetwas zu essen, und am allerwenigsten verbiete ich mir das selber. Ich esse lieber Nutella als den zartbitteren Schokoaufstrich aus dem Biomarkt, obwohl ich weiß, dass da garantiert weniger seltsame Zusatzstoffe drin sind. Aber ich kann es inzwischen genießen, dass das Glas Nutella im Regal steht, anstatt es ängstlich anzuschauen und darauf zu warten, dass ich es in einem Fressflash leer mache.
Ich darf alles, und ich darf alles genießen. Ich darf mich wohl fühlen und attraktiv finden. Ich darf dick sein. Ich darf auf mich stolz sein. Ich darf alles, was schlanke Menschen auch dürfen. Schlanke Menschen sind nicht besser und nicht schlechter als dicke Menschen, und dicke Menschen sind nicht besser und nicht schlechter als schlanke Menschen. Wir sind okay. Ich bin okay. Du bist okay. Und wenn dir dieses Buch ein bisschen dabei helfen konnte, dass du diesen Satz sagen kannst und ihn glaubst, würde mich das sehr, sehr freuen.
[zur Inhaltsübersicht]
I want to thank the Academy
Danke an Silke Nolden für den ersten Schubs.
An Kai Pahl für die Hilfe beim Gedankenordnen.
An meine Lektorin Susanne Frank für die Rundumbepuschelung.
An meine Blogleser und -leserinnen für schöne Mails, schlaue Twitter-Replys und nützliche Buchpräsente.
An viele Blogautoren und -autorinnen für ihre klugen und inspirierenden Worte und Gedankengänge, die mich sehr beeinflusst haben.
An die ganzen dicken Frauen, die gutgelaunt Fotos von sich ins Internet stellen, damit ich mich nicht so alleine fühle.
Und an meine Familie dafür, dass sie immer da ist. Außer Omi, die ist nicht mehr da. Ich hätte sie nach einer Menge
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