Nudeldicke Deern
vielleicht Dinge tut, die ich nicht tun würde, um dünn zu bleiben. Und ich weiß auch, dass selbst schlanke Menschen Probleme mit ihren Körpern haben, denn man kann ja leider nie schlank genug sein. Deswegen halte ich es für noch wichtiger, mehr Körperdiversität zu zeigen: in der Werbung, im Film und im Fernsehen. Wir brauchen ein gesellschaftliches Klima, in dem es akzeptiert ist, so auszusehen, wie man nun einmal aussieht. Wir brauchen weniger Vorurteile, weniger Hysterie und weniger Angst. Wir brauchen mehr Freude am Essen und der Bewegung, wir brauchen mehr Vielfalt, und wir brauchen mehr Selbstbewusstsein. Und das fängt ganz allein bei dir an.
(Und nach dieser tollen Predigt haben wir uns alle eine Runde selbstgebackene Kekse verdient. Ich bin mal eben in der Küche.)
Blogeintrag 19. November
Same, same, but very different
Als Lu im August letzten Jahres vorbeikam, um dem Kerl und mir besseres Essen beizubringen, war ihr Plan, uns zum Abnehmen zu kriegen. Mein Plan war eher, mal wieder nach einem Strohhalm zu greifen, um Frieden mit mir und meinen Kilos zu schließen. Oder abzunehmen. Oder die Weltformel auf dem Silbertablett präsentiert zu kriegen, mit der ich glücklich werde, ob mit oder ohne dicken Hintern. Oder abzunehmen. Oder in Ruhe gelassen zu werden. Oder abzunehmen. Ich weiß es nicht mehr, ich weiß nur noch, dass ich eigentlich schon vorher wusste, dass ich nicht abnehmen würde, weil ich verdammt nochmal einfach nicht mehr abnehmen wollte. Eigentlich war das Thema schon für mich durch, weil es mich mürbe gemacht hatte, das ewige Auf und Ab, die konstanten Selbstvorwürfe, das Abnehmen-High und das Wieder-Zunehmen-Extra-Low. Denn das Abnehmen ist überhaupt nicht schwierig – das Halten des geringeren Gewichts ist das Fiese, das bei mir noch nie funktioniert hat. Abgenommen hatte ich schon tausendmal (mindestens), aber zugenommen eben auch.
Ich machte also bei so ziemlich allem, was Lu zum Thema «mehr Sport» und «weniger Kohlehydrate» sagte, ein freundliches Gesicht und schaltete das Gehirn auf Durchzug. Dafür hörte ich anscheinend sehr gut zu bei allem, was sie zum Thema «Genießen» und «Kochen» und «gute Zutaten» sagte. An eine Sache erinnere ich mich auch noch: Gleich zu Beginn des Coachings fragte Lu mich, ob es ein Kleidungsstück gebe, in das ich wieder reinpassen wollen würde.
Uh-oh.
Ganz – heißes – Eisen. Jeder, der mit ein paar Pfunden zu viel kämpft (seien sie nun wirklich medizinisch bedenklich oder scheißegal), hat eben dieses Kleidungsstück im Schrank. Ich habe davon ungefähr 50 im Schrank. Beziehungsweise: Ich
hatte
davon 50 im Schrank. Im Laufe des letzten Jahres, in dem ich mich mit meinem dicken Hintern angefreundet hatte, habe ich genau diese Quatschklamotten in die Altkleidersammlung geworfen. Darunter war zum Beispiel ein apricotfarbener, kurzer Hosenanzug. Ich sag das nochmal: apricot. Hosenanzug. Kurze Hosen in Apricot. Den habe ich 1990 (ich sag das nochmal: 1990) gekauft, und er hatte die sagenhafte Traumgröße von 42.
Auch das mag einige überraschen, aber selbst zu den Zeiten, als ich dünner werden wollte, wollte ich nicht die magische 36 haben. 1990 habe ich im Kino gearbeitet, mir passte die 42, und ich habe 80 Kilo gewogen. (Auch das können Diätgestörte sicher nachfühlen: Man weiß immer, wie viel man wann gewogen hat. Ist ja auch total wichtig, so was zu wissen. Nicht?) 80 Kilo hört sich wahnwitzig viel an für jemanden, der 1,67 Meter groß ist, aber ich fand mich damit toll. Ich sah aus wie die Schauspielerinnen aus den 40er Jahren: was vor der Hütte, breite Hüften, schöner Arsch, weiche Schultern und unsichtbare Schlüsselbeine. Beziehungsweise: Ich fand mich zehn Jahre später, als mir die 50 so gerade noch passte, im Nachhinein und auf den Fotos aus der Zeit toll. Im Jahre 1990 fand ich mich natürlich total widerlich und unfassbar fett. Ich erinnere mich bis heute an eine Bekannte meiner damaligen Chefin, die mich mal an der Kinokasse sitzen sah. Ich hatte ein langärmeliges, enges, schwarzes Shirt mit einem sehr weiten Rundausschnitt an. Und die Dame konnte sich kaum darüber beruhigen, was für eine tolle Haut ich hätte, was für schöne Schultern und wie gut ich aussah. Und anstatt mich darüber zu freuen, dachte ich nur, nimmt die Drogen? Ich seh doch total scheiße aus.
Zurück zur Altkleidersammlung, in die nun auch der 20 Jahre alte Hosenanzug wanderte. Bei einem einzigen
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