Nuerburghoelle
unbestimmten Rest seines Lebens zu genießen, ihn so zu gestalten, wie er es sich vorstellte.
Dazu gehörten die tagtäglichen Spaziergänge durch Huppenbroich, durch den tagsüber nahezu menschenleeren Ort mit den vielen frei stehenden Häusern unterschiedlicher Architektur, Bauweisen und Zeiten, den vielen Buchenhecken und dem traumhaften Buchenwald, durch den er so gerne wanderte, wenn er bei guter Laune und in vermeintlich guter körperlicher Verfassung den Weg nach Eicherscheid unter die Füße nahm. Er war richtig stolz auf sich, wenn er die fünf Kilometer lange Strecke spazieren konnte, um mit dem letzten Linienbus von Eicherscheid nach Simmerath abends in sein Buchendorf zurückzukehren. Auch den Weg durch das Tiefenbachtal und zurück schaffte er an guten Tagen. Insofern hatte sich sein gesundheitlicher Zustand stabilisiert, schlug das ruhige, sorglose Leben an, bekam er die Restzeit geschenkt, die er im stressigen Beruf garantiert nicht gehabt hätte. »Da wärst du schon lange tot«, hatte ihm seine Liebste Lieselotte Kleinerreich, die als Apothekerin in Aachen ihren Lebensunterhalt verdiente, sachlich und doch liebevoll gesagt. Sie freue sich über jeden einzelnen Tag, den sie mit ihrem Commissario verbringen könne.
Und so versuchte er, sein Leben zu genießen, nein, Böhnke genoss es so, wie er es genießen konnte. Dazu gehörten auch, wie er sich insgeheim zufrieden eingestand, die nicht alltäglichen Unterbrechungen krimineller Art. Immerhin hatte er im vergangenen Jahr in den ersten Monaten seiner Ruhezeit zwei Verbrechen aufklären können, die ohne ihn wahrscheinlich nicht in der, aus seiner Sicht, richtigen Form aufgeklärt worden wären. Insofern genoss er das wenige Leben, das er noch hatte, aber dazu gehörte es sicherlich nicht, eine Einladung zum 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring anzunehmen. Da spazierte er doch lieber durch Huppenbroich oder speiste mit seiner Liebsten am Sonntag beim Brunch in der umgebauten und modernisierten Dorfgaststätte ›Zur alten Post‹.
Nein, würde er seinem Gastgeber sagen, er könne die Einladung zum 24-Stunden-Rennen aus gesundheitlichen Gründen nicht annehmen.
Selbstverständlich und gerne nehme er die Einladung auf den Nürburgring an, heuchelte er am Telefon, als er seinen Gastgeber von seiner Zusage informierte. Er wisse gar nicht, wie er zu dieser Ehre komme.
Selbst schuld, schimpfte er mit sich, während er auf eine Antwort seines Gesprächspartners wartete. Warum bloß hatte er die Einladung nicht sofort zerrissen und über das Angebot geschwiegen, statt es seiner Liebsten zu zeigen, als sie am Wochenende aus Aachen nach Huppenbroich gekommen war?
»Ist doch wohl klar, dass wir dahin fahren«, hatte sie entschieden und Böhnke dabei herzallerliebst angelächelt. Da konnte er nicht mehr widersprechen. Er hätte gar nicht gewusst, dass sie ein Faible für den Autorennsport habe, staunte er über diese Seite ihres Wesens, die ihm bislang verborgen geblieben war. Was ihn wiederum wunderte, glaubte er doch, sie gut zu kennen.
»Habe ich auch nicht«, hatte sie kess wie eine junge, abenteuerlustige Frau gesagt, »aber ich habe etwas anderes im Sinn.« Es sei wegen der Schönheit, weshalb sie mit ihm zu seiner Tour zum Nürburgring mitfahre. Sie lachte erneut auf, als sie Böhnkes verständnislosen Blick wahrnahm.
»Commissario, du hast die Einladung nicht einmal richtig gelesen«, tadelte sie ihn milde. »Wir«, und damit hatte sie sich kurz entschlossen mit eingeladen, »wir sind für die Nacht im Dorinthotel am Nürburgring untergebracht. Sogar mit Blick auf die Rennstrecke. Aber das ist mir gar nicht so wichtig. Hier«, sie wedelte mit der Einladung, »hier steht geschrieben, dass zum Angebot des Hotels auch eine Wellness-Oase gehört mit Saunen, Massagen und allem möglichen Schnickschnack, der dazugehört.« So ein Angebot dürfe man sich einfach nicht entgehen lassen, zumal es umsonst sei. »Wir können beide etwas für die Gesundheit und die Schönheit tun, Rudolf-Günther. Schließlich sind wir beide nicht mehr die Jüngsten.«
Was sie bloß auf einer Schönheitsfarm wollte, brummte er, wissend, dass er sich bereits in einem Rückzugsgefecht befand. Sie hatte sich längt entschieden, die Einladung zu dem Autorennen anzunehmen. »Du bist schön und attraktiv.« Er musterte seine langjährige Lebensgefährtin, der wohl niemand die 5 5 Lebensjahre ansehen würde trotz der kurz geschnittenen, grauen Haare. Sie war schlank und stets
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