Null-Null-Siebzig: Agent an Bord: Kriminalroman (German Edition)
gute Cognac unter dem »Ah« und »Oh« der am Tisch Sitzenden in Flammen aufging.
»Einen Sixpence für Ihre Gedanken, James!«, sagte Sheila. Ihre Augen glänzten im Schein des Feuers.
»Sie wissen, was ich denke.«
Sheila lächelte. »Aber es schmeckt nicht schlecht. Probieren Sie doch wenigstens!«
»Auf keinen Fall.«
»Für Sie kein Dessert?«, fragte Luigi Valenti verwundert. »Sie wissen doch: Das Beste kommt zum Schluss!«
»Für mich war das Hauptgericht der Höhepunkt«, sagte James. »Verkohlte Bananen würden alles ruinieren. Siewissen schon, so wie ein schwaches Finale die ganze Oper verderben kann.«
Sheila machte den Mund auf, um etwas zu sagen, hielt jedoch inne und starrte in Richtung Al Macbeth. James folgte ihrem Blick. Der alte Mann hatte den riesigen Dessertteller in beide Hände genommen, hielt ihn sich wie eine Maske vors Gesicht und leckte ihn genüsslich ab. Die Gespräche am Tisch verstummten. Seine Zunge passt zu ihm, dachte James. Genauso echsenhaft wie der ganze Mann. Aus den Augenwinkeln sah er, wie Monty Miller zu seiner Filmkamera griff, um die Szene festzuhalten.
»Lass das!«, rief Rosie mit unnatürlich hoher Stimme, wobei sie Monty einen wütenden Blick zuwarf. Sie griff hastig nach dem Teller, doch ihr Mann hielt ihn eigensinnig fest und fuhr fort, ihn mit seiner Zunge zu bearbeiten. Erst als er wie frisch gespült aussah, stellte Al ihn wieder auf den Tisch. »Das war ausgezeichnet, Phyllis!«, sagte er zufrieden und schickte einen kleinen Rülpser in Montys Richtung hinterher. »Exzellent.«
»Wer trinkt einen Cognac mit?«, fragte Jeremy schnell. Er sah auf seine Armbanduhr. »Ach, wisst ihr was, Kinder, ich schlage vor, wir gehen direkt ins Stardust Theatre, dort können wir den Abend bei ein paar Drinks ausklingen lassen. In einer halben Stunde tritt dort eine brasilianische Tanzgruppe auf. Die sollten wir nicht verpassen.«
»Ich denke, wir werden uns zurückziehen«, sagte Rosie mit einem Blick auf ihren Mann, bei dem James sich beglückwünschte, nie geheiratet zu haben. »Almond ist müde.«
»Ich verabschiede mich auch«, sagte Ivy schnell. »Ich will Jamie nicht zu lang allein lassen.«
»Aber wir haben doch das Babyfon«, warf ihr Mann ein.
»Trotzdem«, sagte Ivy, nahm den Funkmelder vom Tisch und steckte ihn entschlossen in ihre Handtasche. »Die ganze Zeit bin ich schon unruhig wegen Jamie. Ich traue diesen Dingern nicht. Außerdem, bald ist seine erste Tiefschlafphase vorbei, und falls er plötzlich aufschreckt, ist es besser, ich bin sofort bei ihm.«
»Was ist mit dir, Richard?«, fragte Jeremy seinen Enkel. »Kommst du noch mit?«
»Ja, klar«, sagte Richard und sah seine Frau an. »Oder macht es dir etwas aus?«
»Nein, geh ruhig.«
»Ist es wirklich okay für dich?«
»Natürlich!«, beteuerte Ivy.
»Na, dann«, sagte Richard und drückte seiner Frau einen flüchtigen Kuss auf die Wange. »Bis später.«
»Amüsier dich gut«, rief sie ihm hinterher.
James fragte sich, ob Ivy ihrem Mann wirklich einen unbeschwerten Abend gönnte, während sie selbst Babydienst schob, oder ob sie Richard für diese partnerschaftliche Großzügigkeit demnächst die Rechnung präsentieren würde. Eine innere Stimme ermahnte ihn, nicht hinter jeder Freundlichkeit Berechnung zu vermuten. Dann wurde ihm bewusst, dass diese Stimme gar nicht seine, sondern Sheilas war. Es passierte in letzter Zeit immer öfter, dass diese zweite innere Stimme sich ungefragt in seinem Kopf zu Wort meldete. Er warf Sheila, die gerade hinter vorgehaltener Hand wieder herzhaft gähnte, einen missmutigen Blick zu.
»Sieht aus, als solltest du bald ins Bett gehen«, bemerkte Charles Walther.
Sheila nickte, griff nach ihrer Handtasche und suchte darin nach der Karte für ihre Kabine. »Stimmt. Wie ist es mit Ihnen, James? Kommen Sie mit?«
James bemerkte einen Anflug von Eifersucht im Blick des Heilpraktikers, mit dem Sheila sich so angeregt unterhalten hatte. Sheila war die Zweideutigkeit ihrer Frage nicht bewusst. James begleitete sie zur Tür hinaus. »Wenn wir uns beeilen, können wir von unserem Balkon aus noch den Sonnenuntergang sehen«, sagte er so laut, dass Charles Walther es hören konnte.
»Ha, ha«, machte Sheila nur. »Geben Sie sich keine Mühe, James. Wenn die Sonne Ihr grimmiges Gesicht sieht, wird sie sich eh hinter den Wolken verstecken.«
»Ich fürchte, das hat sie schon«, sagte James. Sie waren aus dem fensterlosen Captains’s Corner in den großen
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